Gamification – eine Einführung

Abbildung Gamification

Gamification – eine universelle Methode für die Wirtschaftsinformatik

Gamification ist eine Methode, um Veränderungen im Verhalten von Menschen zu initiieren, ohne Zwang auszuüben oder manipulativ zu wirken. Gamification kann in vielen Anwendungsfällen Wirkung entfalten: Von Lehr-Lernprozessen (z.B. Studium, Schule, Weiterbildung) über Awareness (z.B. Informationssicherheitsmanagement, Betriebliche Gesundheitsförderung) bis zu allgemeinen betrieblichen Leistungssteigerungen (z.B. in der Produktion, imVertrieb, bei der Softwareerstellung). Damit Gamification funktioniert, sind sorgfältig die Adressaten und die inhaltliche Verzahnung mit dem fachlichen Kontext zu beachten. Die Digitalisierung der Gesellschaft und des Wirtschaftslebens erfordert Gamification-Konzepte, um den Wandel zu erleichtern. Digitalisierung macht die Implementierung von guten Gamification-Konzepten allerdings auch einfacher.

Stand: 24.02.2022

Problemstellung

Mitarbeiter motivieren

Es gibt geliebte und ungeliebte Tätigkeiten. Menschen gehen unterschiedlich damit um. Während die einen fleißig und zeitnah lernen, viele und gute Vertriebsabschlüsse erzielen, willig an Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung teilnehmen oder an vorderster Front Veränderungsprozesse im Unternehmen mittragen, tun sich andere schwer mit Prokrastination, befleißigen sich einer freizeitorientierten Schonhaltung, bekommen lieber Rückenschmerzen anstatt sich zu bewegen oder widersetzen sich allen betrieblichen Veränderungsprozessen. Besonders relevant wird dies z.B. hinsichtlich der Informationssicherheit im Unternehmen – ein Thema, das selten emotional positiv besetzt ist.

unpassende Incentives können schaden

Der Reflex des Managements äußert sich häufig in der Auslobung von Incentives: „Wenn Ihr mehr Vertriebsabschlüsse erzielt, werdet Ihr folgenden Dienstwagen erhalten…“. Spätestens wenn die Adressaten keine Vertriebsleute sind, sondern z. B. Programmierer, die zu einer besseren Programmdokumentation angehalten werden sollen, scheitern einfache Belohnungsansätze, da der typische Programmierer eher durch die Chance, guten Code zu schreiben, motiviert wird, als durch materielle Zuwendung.

Gamification als zwangfreier Lösungsansatz

Gut gemachtes Gamification scheint in fast allen Bereichen Lösungsansätze bereit zu stellen, um Menschen sanft und zwangfrei zu einem vom Management, der Umwelt oder von Ihnen selbst gewünschten Verhalten (Beispiel: Abnehmen) zu motivieren. Gartner prognostizierte 2012, dass bereits 2015 „40% der globalen 1000 Organisationen Gamification als primären Mechanismus für Veränderungsprozesse“ einsetzen werden. Allerdings wird 80% der Gamification-Anwendungen ein Scheitern vorausgesagt, weil sie nicht zu den betrieblichen Prozessen passen (Kumar&Herger 2013). Nun, knapp 10 Jahre später sollte das nachprüfbar sein – leider führt niemand solche Studien durch. Gamification ist, wie weiter unten gezeigt, naheliegend, aber die Umsetzung ist nicht einfach. So ist auch heute noch schwer zu prüfen, in welchem Maße die Gartner-Prognose eingetroffen ist.

Gamification – der Begriff

Gamification ist nicht gleich Spiel

Der Begriff Gamification taucht als Suchbegriff bei Google erst ab Oktober 2010 mit nennenswerter Häufigkeit auf und liefert als Suchwort heute über neun Millionen Treffer. Als Schöpfer des Wortes werden in (allerdings völlig unsicheren Quellen) der Programmierer Nick Pelling oder (nachprüfbar) der niederländische Physiker (!) und Philosoph Johan van Benthem (2002, S. 2) gehandelt. Während der Begriff also relativ neu ist, ist der dahinter liegende Denkansatz schon älter. Eine Idee dazu gibt eine Textstelle vom Autor des Kleinen Prinzen: “ Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“( de Exupery, 1948). Gamification wurde bislang eher von Praktikern vorangetrieben. Erst in letzter Zeit gelangt Gamification nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Lehre und allgemein der Digitalisierung der Gesellschaft und den damit verbundenen Veränderungsprozessen in den Fokus der akademischen Forschung. Gamification nutzt eine angeborene Spielneigung, die allen höheren Wirbeltieren und damit auch dem Menschen zueigen ist, um die Adressaten zu bestimmten Handlungen und Verhaltensweisen zu motivieren. Die Eindeutschung „Spielefizierung“ impliziert eine unzureichende Vorstellung des Begriffs, da Gamification etwas deutlich anderes ist als das Anflanschen von Spielen an ungeliebte Aufgaben. Gamification kann auch keineswegs direkt mit Spielen gleichgesetzt werden. Eine im betrieblichen Kontext gut brauchbare Definition von Gamification (hier in der Übersetzung des Autors) findet sich beim SAP-Mitarbeiter Mario Herger (2014), der sich wiederum an Sebastian Deterding (2011) anlehnt und in ähnlicher Form auch bei Nora Stampfl (2012) zu finden ist: „Gamification ist die Anwendung von ‚Spiel-Denke‘ und Spiel-Mechaniken in nicht spielerischen Kontexten„. Zu den Spiel-Mechaniken kommen weitere Aspekte hinzu, die besser mit dem umfassenden Begriff Spiele-Design-Elemente (Schell 2016) bezeichnet werden, die neben den Mechaniken auch z.B. die Schnittstelle zum Adressaten (wie die Benutzungsoberfläche bei Computerspielen, Haptik von Brettspielen) umfassen. Die Gestaltung der Spiel-Design-Elemente erfordert ein methodisches Vorgehen, das weitgehende Ähnlichkeit mit Methoden im Bereich Usability und User Expirience (UX) hat.

Ein Lernspiel ist kein Gamification

Erste Versuche, Lernprogramme für Kinder als Spiel zu „tarnen“, hat nur ein kurze Erfolgsgeschichte. Kinder merken schnell, dass ein Lernprogramm kein Spiel ist und lehnen es dann ab. Für Erwachsene heißen die Lernspiele „Serious Games„, sie haben sich etabliert und werden akzeptiert. Oft sind Serious Games Simulationen mit gruppendynamischen Prozessen, z.B. „gespielte“ Unternehmensgründungen oder Aktienhandel. Während Serious Games Lerninhalte in einen spielerischen Kontext integrieren, beschreibt Gamification quasi „anders herum“ die Anwendung von Spiele-Design-Elementen in Bereichen, für die diese Methoden eigentlich fremd sind. Damit liegt der Fokus von Gamification auf dem ernsthaften Kontext, dessen Rezeption und Akzeptanz durch die spielerischen Elemente verändert werden sollen. Dadurch kann Gamification auf eine sehr große Vielzahl von Situationen angewendet werden, nicht nur zu Beförderung des Lernens.

Gamification ist kein Edutainment, kann aber bei ungeliebten Aufgabenstellungen helfen

Insbesonder profitieren solche Themenbereiche von Gamification, die entweder eine hohe Wiederholungszahl der Lernaktivitäten erfordern, z.B. sich neue Begriffe anzueignen. Oder die Themen, die in der emotionalen Wertschätzung der Adressaten nicht oben auf der Agenda stehen. Dazu gehören in der Hochschullehre z.B. die Statistik, im Unternehmen z.B. die Informationssicherheit oder die betriebliche Gesundheitsförderung und der Arbeitsschutz.

Gamification als Motivationsmethode auch für „Nichtspieler“

Einige Menschen stehen dem Begriff „Spiel“ ablehnend gegenüber. Das kann am deutschsprachigen engen Verständnis des Begriffs Spiel liegen, der oft mit dem als unproduktiv gesehenen Spielen von kleinen Kindern gleichgesetzt wird. Daher ist Spiel in einer umfassenderen Bedeutung zu sehen. Um Gamification wirkungsvoll und zielgerichtet einsetzen zu können, sind zwei Aspekte zu beachten:

  • Die Spiel-Design-Elemente müssen zu den ernsten Inhalten bzw. zum betrieblichen Kontext passen.
  • Die Bedürfnisse und die Voraussetzungen der Adressaten – als „Spieler“ – müssen berücksichtigt werden.

Um den Begriff Gamification handhabbar zu machen, ist also zunächst eine Betrachtung des Konzeptes des Spiels und eine Betrachtung der Adressaten, die bei Gamification eben die Rolle eines Spielers einnehmen, notwendig.

Spiel

Spiel ist nicht gleich Spiel

Deutschland ist eine ernste Nation und hat nur das eine Wort „Spiel“. Im Englischen finden sich die Begriffe Play und Game. Die Entsprechung für Game wäre im Deutschen „das Spiel“ also ein Brettspiel mit Spielziel und Regeln oder ein Computerspiel. Play ließe sich durch das deutsche „herumspielen“ übersetzen und umfasst z.B. regelfreie Rollenspiele („Vater-Mutter-Kind“) oder das explorative Ausprobieren („Was man mit dem Ding alles machen kann“). Roger Callois (1966) findet eine Unterscheidung der  Spielweisen in Ludus und Paidia. Für Gamification werden meist Spiel-Design-Elemente entsprechend regelbasierter Spiele (Ludus) eingesetzt.

Abb. 1 : Spielweisen

Callois kategorisiert weiterhin Spiele in :

  1. Agon (Wettkampf; Beispiele: Schach, Billard, Fußball)
  2. Alea (Zufall; Beispiele: Lotto, Roulette, Spielautomaten)
  3. Mimikry (Maskierung; Beispiele: Rollenspiele, Theater)
  4. Ilinx (Rausch; Beispiele: Walzer tanzen, Achterbahn fahren)

Dabei können die Kategorien Agon und Alea eher der Spielweise Ludus und die Kategorien Mimikry und Ilinx eher der Spielweises Paidia zugewiesen werden.

Spielen ist zwangfrei

Ein Spiel wird normalerweise freiwillig (Caillois 1966) betrieben, ist also ein Handeln ohne äußeren Zwang, sonst wäre es Arbeit (Stampfl 2012). Ein Spiel wie Schach oder Fußball erfordert, dass die Spieler Regeln akzeptieren, die ihre Effizienz in der Spielzielerreichung mindern. Beispielsweise ist es verboten, beim Fußball den Ball in der Hand zu tragen. Dabei ginge das Tore-Erzielen so viel schneller. Es lässt sich weiterhin beobachten: Gespielt wird gerne, und Menschen verbringen viel Zeit mit Spielen. Diese Spielneigung, die individuell unterschiedlich stark ausgeprägt ist, hat evolutionäre Ursachen.

Spieler akzeptieren Regeln

Spiel ist also, wenn Personen ein Ziel erreichen wollen und dabei effizienzmindernde Regeln freiwillig akzeptieren  und die Tätigkeit (zunächst) zweckfrei erscheint. Personen, die die Regeln mißachten, heißen Spielverderber. Spieler, die die Regeln zwar beachten, aber ausnutzen und für sich auslegen, um andere Spieler ohne eigenen Vorteil bei der Spielzielerreichung zu behindern, heißen im Englischen Griefer („Leidbringer“).

Spielertypen

Adressaten für Gamification entsprechen Spielertypen

Eine Hilfe für die Gestaltung von geeigneten Spielmechanismen finden Sie bei den von Richard Bartle bereits 1996 herausgefundenen vier Spielertypen:

  • den „Sammler“ (engl. Achiever, will etwas Sammeln. Beispiel Hobbyläufer: Will alle Bergläufe in Südtirol absolvieren),
  • die „Einzelkämpfernatur“ (engl. Killer oder Griefer, will gegen andere gewinnen und besser sein beziehungsweise findet Gefallen daran, andere am Spielerfolg zu hindern. Beispiel Hobbyläufer: will aufs Treppchen und Erster sein und drängelt im Zielkanal),
  • den „Geselligen“ (engl. Socializer, will irgendwas, aber in einer Gruppe mit anderen. Beispiel Hobbyläufer: geht gerne zum Lauftreff, aber nicht auf Wettkämpfe) und
  • den neugierigen „Erkunder“ (engl. Explorer, will Welten kennen lernen und sich erproben. Beispiel Hobbyläufer: Lieber Gelände- und Orientierungslauf statt Runden auf dem Sportplatz).

Viele Menschen sind Socializer

Sie können an digitalen Spielen wie World of Warcraft, Clash of Clans, Hayday, Pou! oder Pokemon Go studieren, wie man versucht, in unterschiedlichen Gewichtungen die Spielertypen zu bedienen. Menschen gehören nicht genau einem Spielertyp an, sondern sind meist „Mischtypen“ in verschiedenen Gewichtungen. Online-Tests brachten zutage, dass die meisten Menschen eher Socializer sind.

Es gibt noch weitere, neuere Kategorisierungen von Spielertypen, z.B. von Andrzej Marcziewski (2013), die die Kategorien von Bartle mit Blick auf Gamification erweitern. Marcziewski unterscheidet sechs Typen: 1. Disruptor, 2. Free Spirit, 3. Achiever, 4.Player, 5 Sozializer, 6. Philantropist. Besonders interessant ist der Typ Philantropist: Ausprägung des Spielertyps findet man in Spielen wie World of Warcraft, dort nennt man sie „Care-Bär“. Das sind Menschen, die anderen uneigennützig helfen, ihre Spielziele zu erreichen. Im Linux-Umfeld sind das Experten, die unentgeltlich Ratschläge und Tutorials in Foren veröffentlichen.

Spiel-Design-Elemente müssen zu Adressaten passen

Für die Entwicklung von Spielen und damit auch für Gamification ist es wichtig, die Adressaten zu kennen, um Spiel-Design-Elemente zu kreieren, die zum jeweiligen Spielertyp passen. So fühlen sich Socializer durch Spiel-Design-Elemente für Killer i.d.R. abgeschreckt Für die Anwendung von Gamification ist besondere Sorgfalt notwendig. Verwendet man im Unternehmen Rankings, obwohl die Belegschaft offenkundig nicht an Wettbewerben interessiert ist, wird Gamification keinen positiven Effekt entfalten.

Gamification-Frameworks helfen bei der Implementierung

Yu-Kai Chou (2016) hat für die Implementierung von Gamification sein Oktalysys-Framework, ein adressatenzentriertes Gamification Design Framework basierend auf acht elementaren Treibern menschlicher Motivation vorgeschlagen. Die acht Treiber sind 1. Meaning, 2. Empowerment, 3. Social Influenze, 4. Unpredictability, 5. Avoidance, 6 Scarcity, 7. Ownership und 8. Accomplishment. Einige dieser Treiber lassen sich direkt mit etablierten Motivationstheorien verstehen, z.B Meaning (die bessere Bezeichnung wäre Purpose) mit der weiter hinten beschriebenen Spitze der Maslowschen Bedürfnispyramide oder Empowerment mit dem Leistungsbedürfnis nach McClelland. Meaning dürfte auch motivatonaler Antrieb für den Philantropisten sein (Marczieswki 2015)

Evolutionäre Ursachen der Spielneigung

Fast alle Menschen spielen gerne

Spielneigung ist angeboren, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt. Der „Preis“ für ein leistungsstarkes Zentralnervensystem, wie Menschen es haben, ist, dass es bei der der Geburt unfertig ist und es lange braucht, bis überlebenswichtige Verhaltensweisen gelernt und gekonnt werden. Dazu ist es erforderlich, dass Fertigkeiten in nicht letalen Laborsituationen, wie sie typische Kinderspiele (Balancieren, Werfen, Nachlaufen, Soziale Interaktion …) bieten, eingeübt werden und dann in Krisensituationen abgerufen werden können. Durch ein solches Verhalten hatten höhere Wirbeltiere gegenüber Artgenossen, die nicht spielerisch übten, einen Überlebensvorteil und eine höhere Chance, ein fortpflanzungsfähiges Alter zu erreichen mit der Folge, dass viele hunderttausend Jahre die mittlere Fortpflanzungsrate von spielenden Wirbeltieren höher war als von nichtspielenden und sich die Spielneigung als genetisches Merkmal etabliert hat. Dabei ist es offensichtlich nicht wichtig, was gern gespielt wird. Bei Adulten ist nach diesem Modell die Spielneigung überflüssig. Da sie aber den mittleren Fortpflanzungserfolg nicht stört, gibt es aus evolutionärer Sicht keinen Grund, die Spielneigung nach der Fortpflanzung abzulegen. Die Folge ist, dass auch viele Erwachsene gern spielen.

Fast alles ist Spiel

Der Spielbegriff wird weit gefasst. Die Einrichtung eines Photostudios im heimischen Keller, obgleich man kein Photograph ist, ist ebenso dem Spiel zuzurechnen wie die aktive Teilnahme am Schützenzug oder an der Senioren-Fußballmannschaft. Das starke Wachstum der Maker-Szene (früher Heimwerker), in der sich gerne Männer ab 40 bewegen, und das starke Wachstum der mobile-casual-gamer in der Gruppe der Frauen ab 50 zeigen, dass nach einem weit ausgelegtem Spielbegriff sehr viele Menschen spielen.

Ein Spiel muss zum Menschen passen

Zwar kann also von einer grundsätzlichen Spielneigung ausgegangen und für Gamification genutzt werden, allerdings sind die Vorlieben der Menschen unterschiedlich. Die Konzeption von Gamification muss den Bedürfnissen der Adressaten entgegenkommen, um die gewünschte Wirkung zu entfalten. Hilfen dazu liefern psychologische Theorien aus der Lehr- Lernforschung und aus der Motivationsforschung.

Psychologisches Rüstzeug für Spielen und Gamification

Gamification stützt sich auf auf etablierten Theorien

Insbesondere mit Blick auf den Einsatz von Gamification in Lehr- Lernszenarien kann auf ein Portfolio von praktikablen Theorien und Methoden zurückgegriffen werden:

  1. Maslow`s Bedürfnispyramide (Maslow 1943) „Erst kommt der volle Kühlschrank, dann der Töpferkurs“
  2. Bedürfnistheorie von McClelland (McClelland 1988) „Menschen haben unterschiedliche Bedarfe hinsichtlich ihrer eigenen Leistung, Gruppenzugehörigkeit und ihrer Machtfülle.
  3. Selbstbestimmungstheorie der Motivation (Deci & Ryan 2000), „Wenn ich es selber entscheide und Erfolg dabei habe, mache ich es gerne.“
  4. Flow-Theorie (Csikszentmihályi 1995): „Wenn Können und Aufgabe zueinander passen, dann läufts.“
  5. Cognitive Load Theory (Chandler&Sweller 1991) „Nicht von komplizierten Lernumgebungen ablenken lassen, keine Lernhürden durch Fremdkomplexität.“
  6. Time on Task (Anderson 1986, Slavin 2003 ), „Wer lange und richtig übt, kann es irgendwann gut.“
  7. Konstruktivismus (Valera 1987, Gerstenmaier&Mandel 1995, Siebert1998), „Lernen durch selber tun. Lernen ist aktiv. Lerner sind keinen leeren Gefäße, in die man Wissen füllen kann.“

Die Erläuterungen in Anführungszeichen in der o.g. Auflistung sind der Versuch, die jeweilige Theorie in einem handhabbaren Satz einfach zu operationalisieren.

Pyramide der Bedürfnisse von Maslow

Abraham Maslow geht davon aus, dass Menschen danach streben, ihre Bedürfnisse in einer strikten fünfstufigen Hierarchie, meist als Pyramide dargestellt, zu befriedigen. Zuerst kommen physiologische Bedürfnisse (1) (Schlafen, Essen, Trinken). Erst wenn diese befriedigt sind, wenden sich Menschen dem Sicherheitsbedürfnis (2) (Haus bauen, Job entfristen, Behaglichkeit, Ordnung) zu. Wenn sie sich sicher fühlen  kommt das Sozialbedürfnis (3) (Freunde, Verein, Kontakte). Darauf bauen dann die Individualbedürfnisse (4) (Anerkennung durch andere, Achtung) und die Ich-Bedürfnisse (5) (eigene Leistung, eigene Bedeutung, Selbstverwirklichung, Autonomie, Kreativität, Macht) auf.

Achtung: Die Theorie von Maslow widersetzt sich bis heuite der empirischen Validierung. Maslow hat zudem seine Erkenntnisse aus der Beobachtung von 100 kranken Menschen gewonnen, das ist eine dünnen Befundlage mit den falschen Probanden. Aber: Die Theorie ist so schön eingängig und einfach, dass trotzdem alle sie verwenden.

Bedürfnistheorie von McClelland betrachtet unterschiedliche Menschen

Während Maslows Hierarchie eine allgemeine Bedürfnisstruktur beschreibt, betrachtet McClellands Theorie eher die Frage, wie sich Menschen hinsichtlich ihrer psychischen Bedürfnisse unterscheiden.

David Clarence McClelland (1988) geht davon aus, dass es drei voneinander unabhängige Bedürfnisse gibt, die jeweils unterschiedlich stark ausgeprägt sein können:

  • Das Leistungsbedürfnis beschreibt das Bestreben, gesetzten Anforderungen gerecht zu werden und schwierige Aufgaben erfolgreich zu meistern. Der Adressat will sich als kompetent und leistungsfähig erfahren. Daher ist Feedback zum Erreichten wesentlich.
  • Das Anschlussbedürfnis beschreibt den Wunsch nach Zugehörigkeit zu Gruppen oder Nähe zu anderen Menschen.
  • Das Machtbedürfnis charakterisiert die Ausprägung, in welchem Maße ein Adressat danach strebt, Einfluss auf das Verhalten Anderer zu haben und Kontrolle über sie auszuüben.

Selbstbestimmungstheorie der Motivation

Edward Deci und Richard Ryan (2000) entwickelten ein Konzept von drei universellen psychologischen Grundbedürfnissen, die Anpassungsmechanismen des Individuums an sein sozio-kulturelles Umfeld repräsentieren:

  1. Streben nach Kompetenz,
  2. Streben nach sozialer Eingebundenheit und
  3. Streben nach Autonomie.

Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass (intrinsische) Motivation für an sich interessante Tätigkeiten durch (extrinsische) Belohnungen häufig nicht etwa gesteigert, sondern im Gegenteil abgesenkt wird.

Flow-Theorie von Csikszentmihalyi

Flow ist das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes großer Konzentration und Aufgehens in einer Tätigkeit. Das Wort Schaffensrausch ist eine gute Charakterisierung. Mihály Csikszentmihalyi (1995) liefert mit seiner Flow-Theorie eine Erklärung für das Durchführen intrinsisch motivierter Handlungen. Die subjektiv empfundene Passung von Fähigkeit und Handlungsanforderung stellt dabei eine wichtige Bedingung des Flow-Erlebens dar. Flow kann dann erlebt werden, wenn die handelnde Person weder unter- noch überfordert ist. Mit steigender individueller Fähigkeit sollte dann auch die Anforderung steigen. Wenn eine (Spiel-) Umgebung das gewährleistet, bewegt sich der Adressat im sogenannten Flow-Kanal wie in Abb. 2. Sind die Anforderungen viel größer als das Leistungsvermögen, wird sich Frustration (burn-out) einstellen. Durch dauerhafte Unterforderung wird er sich langweilen (bore-out). In beiden Fällen, so fand Csikszentmihalyi heraus, nimmt die Aktivitätsrate ab. Bei einem Verbleib im Flow-Kanal wird der Adressat durch Zunahme seiner Fähigkeiten irgendwann zur Meisterschaft gelangen.

Abbildung Flow-Theorie

Abb. 2 : Im Flow-Kanal zur Meisterschaft

Aufgabenfremde mentale Belastung bremst

Wenn eine Lernplattform an sich schon schwer zu bedienen ist, wird das einen negativen Einfluss auf das Aneignen von komplexen Lerninhalten haben. Ebenso benötigt ein komplexes Werkzeug, z.B. in der Metallverarbeitung, Aufmerksamkeit, die dann für das Werkstück fehlt. Gleiches gilt für betriebliche Anwendungssysteme: Für die Beschäftigung mit den eigentlichen Inhalten bleibt dann weniger mentale Kapazität und auch weniger Zeit übrig. Dahinter steckt die Idee, dass ein Mensch nur ein festgelegtes Maß an mentaler Belastung verträgt und sich die kognitive Leistung auf gleichzeitige Belastungen aufteilen muss. (Chandler & Sweller 1991)

Time-onTask verbessert den Lernerfolg

Time-on-Task bezeichnet die effektive Zeitdauer, die sich ein Lerner fokussiert mit dem Lerngegenstand – oder sich ein Mitarbeiter mit der betrieblichen Aufgabenstellung – beschäftigt. Die Forschung liefert durchgängig das Ergebnis, dass eine höhere Time-on-Task einen größeren Lernerfolg impliziert. Wer länger und mehr übt, wird einen Lerngegenstand besser beherrschen als wenn er es nicht tut. Das ist wesentlich für das Studium und mit Blick auf lebenslanges Lernen auch für berufliche Tätigkeiten. Wenn jemand mehr Zeit investiert, um potenzielle Kunden anzurufen, ist die Wahrscheinlichkeit eines Verkaufsabschusses höher. Die motivationalen Faktoren für die Erhöhung der Time-on-Task lassen sich aus einer Kombination der Motivationstheorien wie in Abb. 3 ableiten.

Abbildung Time on Task und Motivationstheorien

Abb. 3 : Time-on-Task und Motivationstheorien

Lernen ist ein aktiver, individueller Wissens-Konstruktions-Prozess

Nach den frühen Vorstellungen des Nürnberger Trichters, dass Lerner lediglich leere Gefäße seien, in die Wissen durch Lehrende hineingefüllt werden muss, ist die Lehr-Lernforschung über die klassische Konditionierung (z.B. Speichelreflex im Göckchenexperiment von Ivan Petrowitsch Pawlow) und nachfogend die operante Konditionierung (Behaviourismus, Lernen am Erfolg, Belohnungsexperimente von Burrhus Frederic Skinner) mittlerweile bei konstruktivistischen Theorien angekommen. Diese wurden in letzter Zeit auch durch neurobiologische Untersuchungen gestützt. Konstruktivismus besagt, dass Lerninhalte nicht ungefiltert in einen Lerner hineinkommen, sondern Wissen aktiv vom Lerner immer wieder neu konstruiert wird. Wissen ist damit etwas Individuelles, und es braucht das aktive Zutun des Adressaten, damit aus einem Lehrangebot Wissen wird. Aktives Zutun erfordert Zeit und baut damit auf dem Time-on-Task-Konzept auf. Dies ist nicht nur für Hochschule und Schule wesentlich, sondern insbesondere auch bei Wissensmanagement-Prozessen, die Gegenstand der Wirtschaftsinformatik sind. Es genügt nicht, eine Lernplattform, Online-Kurse oder eine Wissensdatenbank bereit zu stellen, es müssen auch die motivationalen Voraussetzungen für eine aktive Nutzung vorliegen. Gamification kann dabei unterstützend wirken.

Gut gemachtes Gamification zeichnet sich dadurch aus, dass alle oben genannten Faktoren umsetzt.

Gutes und schlechtes Gamification

Fehlende Verzahnung mindert die Wirkung

Gamification kam bislang eher bemüht daher. Es wurden Spielchen ohne Verzahnung z.B. zu Lernangeboten oder online-Werbemaßnahmen hinzugefügt und die Wirksamkeit war fraglich. Mit der Digitalisierung der Lebenswelt bieten sich nun neue Möglichkeiten der engeren Einbindung von spielerischen Elementen in Lernsituationen. Internetfähige Smartphones mit GPS-Empfang zur Ortsbestimmung lassen einen hohen Interaktionsgrad zwischen Lernern zu. So können jetzt spielerische Elemente mit Ortsbezug – denken Sie an Pokemon Go – oder mit hohem Kommunikationsaspekt wie z.B. bei Quizduell, WhatsApp oder Jodel, in ubiquitäre Lehr-Lernangebote integriert werden. Allein über das didaktische Konzept der Time-on-Task ist offensichtlich, dass eine höhere Lernwirksamkeit passend gamifizierter Lernarrangements erwartet werden darf. Die Spiel-Design-Elemente müssen, damit Gamification funktioniert, zu den Adressaten und zu den ernsten Inhalten passen.

Spiel-Design-Elemente müssen zum Adressaten passen (II)

Gamification-Konzepte nutzen oft eines oder mehrere der folgenden Spiel-Design-Elemente:

(1) das Erreichen spezifischer und klar abgrenzbarer Verhaltensresultate (Quests, Missionen, Achievements etc.),

(2) die Schaffung quantitativer Vergleichbarkeit fortlaufender Anstrengung (Punkte),

(3) die Möglichkeit der Kollaboration und Interaktion zwischen Spielern,

(4) die Transparenz der Verhaltensresultate (Punktestand, Rankinglisten),

(5) das Mitteilen von Spielständen z. B. in sozialen Netzwerken,

(6) das Feedback anderer Spieler (Bewertungen) und

(7) die Möglichkeit, kreativ Inhalte oder Missionen beizutragen (user-generated content).

Die Design-Elemente sollten mit den Spieler-Typen und mit den sonstigen demografischen Adressaten-Eigenschaften (Alter, Geschlecht, sozio-ökonomischer Status) abgeglichen werden. Wenn dann noch auf ein Verbleiben im Flow-Kanal geachtet wird, kann ein gutes Gamification-Konzept entwickelt werden, das insbesondere innerhalb eines abgegrenzten Zeitraums, z.B, in einem Projekt, wirkt.

Damit Gamification dann dauerhaft über einen Projektzeitraum hinaus funktioniert, müssen die Spiel-Design-Elemente für sich sensationell sein oder aber die Spielaktivität mündet in reale Vorteile für den Adressaten (Rabatt, Klausurpunkte).

Drei Gamification-Beispiele aus der Praxis

Lungenkrankheiten spielerisch therapieren

Auf der AKWI 2017 wurde ein gamifizierter digitaler Atemtrainer mit Namen MOPS zur Behandlung der Lungenkrankheit COPD (chronische Verengung der Luftwege) vorgestellt. Es werden deutschlandweit 3-5 Millionen COPD-Erkrankungen geschätzt, die Behandlung mit Geräten und in Lungenkliniken ist ein bedeutender Markt. Die Therapie erfolgt über ein Atemtraining, bei dem z.B. eine Kugel durch den Atem-Luftstrom in der Luft gehalten wird. Meist tritt allerdings nach kurzer Zeit eine Therapiemüdigkeit ein. MOPS bietet eine Art digitales Spirometer (medizinisches Gerät zur Messung des ein- bzw. ausgeatmeten Luftvolumens sowie des Luftvolumenstroms und dessen zeitlicher Änderung), das über Bluetooth mit einem adaptiven Spiel auf dem Smartphone gekoppelt wird. Das Spirometer dient quasi als Eingabegerät. Die Parametrisierung des Spiels passt sich dynamisch dem aktuellen Zustand des Patienten an und hält den Patienten damit im Flow-Kanal. Dadurch soll die Therapiemüdigkeit vermieden und ein nachhaltiges Mitwirken des Patienten, insbesondere bei Kindern, induziert werden.

Gamifizierte Video- und Online-Lern-Sequenzen als Klausurpolsterpunktegenerator.

Um auch die weniger aktiven Studierenden an der Hochschule Niederrhein dazu zu bewegen, e-Learning-Angebote anzunehmen, wurde versuchsweise eine Lerneinheit zum Thema Datenmodellierung inkl. kurzer Lehrvideos (Microlearning) mit Gamification-Elementen und einem Online Arbeitsblatt versehen. Eins dieser Elemente waren Punkte, die den in der Klausur erreichbaren Punkten zugeschlagen werden. Das andere Gamification-Element war die Einblendung von Pokémon, hinter denen sich die Fachbegriffe verbergen. Hiermit konnten zum einen höhere Aktivierungsraten erzielt werden, zum anderen wurden die entsprechenden Aufgaben in der Klausur besser gelöst. Aussage einer Studentin: „Die Klausur hat sogar ein bisschen Spaß gemacht“. Der Umweg über die Pokémon wurde gewählt, da hiernach im Arbeitsblatt gefragt wurde, die Studierenden sich das Video erneut ansehen mussten und dadurch die Time-onTask erhöht wurde. Die Umsetzung in Klausurpunkte realisierte einen direkten und realen Vorteil für die Studierenden. Es ist anzunehmen, dass die Game-Design-Elemente den Spielertyp Achiever adressieren und das Leistungsbedürfnis nach McClelland befriedigen.

Gruppen-Abnehmrate im Fitnessstudio

Einen durchschlagenden Erfolg, der seit mehr als 24 Monaten anhält,  erzielte die Einführung von Gruppen-Rankings bei Abnehm-Kursen in einem großen Fitnessstudio mit 4000 Mitgliedern. Die Abnehm-Kurse werden meist von Frauen besucht, die weniger wettkampforientiert und eher dem Spielertyp Socializer zuzuordnen sind. Messungen der persönlichen Gewichtsreduktion und die Gegenüberstellung in einer Rangliste wären ein sehr einfach zu operationalisierende Game-Design-Element, eine einzelpersonenbezogene Rangliste wirkt allerdings abschreckend auf die Adressaten. Durch einen einfachen Trick, der Bildung von Abnehm-Gruppen mit einer Summen-Gewichtsreduktion, wurde mit denselben Game-Design-Elementen nun der Spielertyp Sozializer adressiert sowie das Leistungsbedürfnis und das Anschlussbedürfnis nach McClelland befriedigt. Die Motivation insbesondere für die Frauen mittleren Alters war, dass ihre Gruppe besonders gut dasteht und dass jede einen Beitrag zum Gruppenerfolg leisten kann.

Voraussetzungen im Unternehmen für die Einführung von Gamification

Gamification muss zum Unternehmen passen

Nicht  jeder Gamification-Ansatz ist für alle Unternehmen geeignet, vielmehr muss auf eine „Passung“ geachtet werden. Förderlich sind die folgenden fünf Punkte:

  • Gamification muss von der Unternehmensleitung akzeptiert und wertgeschätzt Die Grundhaltung „Meine Mitarbeiter sollen arbeiten und nicht spielen“ führt schnell dazu, dass Mitarbeiter spielerische Komponenten als für sich kontraproduktiv bewerten und meiden.
  • Gamification hat hochinnovativen Charakter. Wie bei allen Innovationen kann es neben Tops auch Flops geben. Ein Unternehmen muss das ertragen können. Im Einzelfall, wenn ein Flop auch aufgrund der Mitarbeiterstruktur befürchtet wird, beginnt man mit einer kleinen niederschwelligen Maßnahme, evaluiert den Erfolg und baut dann schrittweise Gamification bis zur maximalen Wirksamkeit spezifisch für das Unternehmen aus.
  • Es ist förderlich, wenn von vornherein bei der Einführung von Gamification-Elementen ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess mitgedacht und regelmäßig die Maßnahmen an die betrieblichen Erfordernisse angepasst werden.
  • Eine höhere formale Bildung der Mitarbeiter erleichtert die Einführung von Gamification-Aspekten und lässt ein größeres Portfolio an Game-Design-Elementen zu. Allerdings ist das kein ausschließendes Kriterium. Welche Spielmechaniken in welchem Umfang zum Einsatz kommen, sollte von der Mitarbeiterstruktur abhängig gemacht werden. In einer Belegschaft mit eher geringer Schulbildung und unterdurchschnittlichen Deutschkenntnissen wäre ein Spielmechanismus wie in Quizduell vermutlich nicht motivationsfördernd. Auch ist anzunehmen, dass Game-Design-Elemente, die lediglich auf reine „Kämpfernaturen“ abzielen, in einer weiblich dominierten Sachbearbeitung wenig Wirkung entfalten.
  • Die wichtigste Voraussetzung ist fünftens, dass sich das Unternehmen über die betrieblichen Ziele im Klaren ist, die es mit Gamification erreichen will und diese dann auf die persönlichen Ziele der Mitarbeitenden abbildet.

Besonderer Bezug zwischen Wirtschaftsinformatik und Gamification

Wirtschaftsinformatik heißt Wandel

Wirtschaftsinformatik ist eine Multi-Methoden-Disziplin. Wirtschaftsinformatik ist aufgrund der nicht aufzuhaltenden Digitalisierung der Gesellschaft bei sehr vielen Veränderungsprozessen maßgeblich und Change-Management kann nur gelingen, wenn die beteiligten Menschen den Wandel mitmachen. Drei Beispiele für diese Verhaltensanforderungen in der Wirtschaft mit Wirtschaftsinformatik-Bezug sind:

  • Die Informationsicherheit, in deren Zusammenhang eine nicht ausreichende Achtsamkeit (security-awareness) und geringe Grundkenntnisse (security-literacy) der Mitarbeiter im Unternehmen beklagt wird. Beides ist essentiell, hat aber für Mitarbeiter allenfalls mittelbaren Bezug für die eigene Arbeit, so dass die Motivation gering ist, sich mit Informationssicherheit auseinanderzusetzen.
  • Die Mehrung und Bewahrung des Wissens im Unternehmen (Wissensmanagement) durch steigende Anforderungen und häufigere Fluktuation. Onboarding neuer Mitarbeiter, betriebliche Fortbildung und Umgang mit ausscheidenden Experten führt oft zur Einführung von Wissensplattformen, deren Nutzungsintensität allerdings hinter den Erwartungen zurückbleibt.
  • Ubiquitäres Lernen mit Lernplattformen und Co. Alles, was für Wissensmanagement gilt, gilt auch für Bildung und eLearning. Blended Learning, Distance Learning und flipped classroom Konzepte funktionieren nur mit aktiven, motivierten Adressaten.

Wirtschaftsinformatik braucht und unterstützt Gamification

Damit liefert die Wirtschaftsinformatik viele Bedarfsfelder für Gamification. Ebenso liefert die Wirtschaftsinformatik auch die Werkzeuge und Methoden, die für die Einführung von Gamification hilfreich sind. Drei davon sind:

  • Wissensmanagementplattfomen und Lernplattformen beinhalten mittlerweile Plugins, um Game-Design-Elemente an bestehende Inhalte anflanschen zu können.
  • Mobile Apps ermöglichen es Mitarbeitern (und Studierenden), ubiquitär Zugang zu gamifizierten Anwendungen zu erhalten und erleichtern die Kommunikation unter den Adressaten.
  • Wearables, die Bewegungsaktivitäten messen (Polar-Loop, Garmin, Fit-Bit ..) und von vielen Menschen bereits genutzt werden, lassen sich in spielerische Sujets z.B. für die betriebliche Gesundheitsförderung einbinden.

Herausforderung an die Leitung einer IT-Abteilung im Unternehmen durch Gamification

Die Zusammenhänge lassen sich als Rahmenwerk in Form eines Hauses wie in Abb. 4 visualisieren, an dessen Spitze der Mensch steht. Als Fundament dienen elektronische Medien. Gamification erhöht auch für weniger attraktive Inhaltsbereiche in Bildungseinrichtungen und Unternehmen die motivationalen Voraussetzungen der Adressaten.

Rahmenwerk für Gamification Abbildung

Abb. 4 : Ein Rahmenwerk für Gamification in Unternehmen und Bildungseinrichtungen.

Gamification FAQ

Wie unterscheidet sich Gamification von Edutainment?

Edutainment ist die Kombination der Wörter Education und Entertainment und bezeichnet die spielerische Vermittlung von Wissen bei gleichzeitigem großen Unterhaltungswert. Das Spielerische steht im Vordergrund und Lernen findet en passant statt. Edutainment fokussiert auf Lernen. Bei Gamification stehen die betrieblichen Inhalte und Abläufe oder der Lerngegenstand im Vordergrund, und es werden Elemente, die sonst Spielen zugeordnet werden, zur Motivationserhöhung mit den Inhalten verzahnt. Gamification hat ein breiteres Anwendungsfeld als Edutainment.

Warum muss man sich bei der Gamifizierung von betrieblichen Abläufen mit den Eigenschaften der Mitarbeitenden auseinandersetzen?

Menschen reagieren auf Gamification individuell unterschiedlich. Untersuchungen der Spielebranche bringen zutage, dass demografische und soziökonomische Faktoren der Adressaten einen Einfluss auf die Rezeption und Akzeptanz und damit auf die individuelle motivationale Wirksamkeit von Game-Design-Elementen haben. Geschlecht, Alter, Einkommen, Bildungsgrad und Bildungshistorie, Spiel-Vorerfahrung sind einige Faktoren. Die Abschätzung, welchen Spielertypen die Adressaten zuzuordnen sind, stellt eine Hilfe dar. Bezieht man diese Aspekte nicht in das Gamifizierungskonzept mit ein, besteht die Gefahr, dass

  1. die gewünschte Wirkung ausbleibt oder
  2. ein Teil der Mitarbeitenden demotiviert wird.

Wie könnte mit einfachen Mitteln und ohne den Einsatz von zusätzlicher IT oder Programmierung die Nutzung einer Wissensplattform, z.B. in einem Versicherungsunternehmen, befördert werden?

Bei der Beantwortung sind zunächst Annahmen zu machen (und zu prüfen). Sei davon ausgegangen, dass es sich um eine wenig wettkampforientierte Belegschaft mit Frauenanteil von über 50% und einem mittleren Alter von 35 Jahren handelt. Auf Rankinglisten wird daher verzichtet. Jede Mitarbeiterin (oder Mitarbeiter) kann, wenn Sie einen Inhalt in der Wissensplattform recherchiert hat, quasi als Selbstanschreibung einen kleinen bunten Flummi aus einem großen Glas an der Kaffeemaschine nehmen und in das eigene Glas auf dem Schreibtisch legen. Für die Erstellung eines Inhaltes in der Wissensplattform gibt es einen größeren Flummi. Das eigene Glas hat einen Eichstrich. Sobald der Eichstrich von Flummis überdeckt ist, wird das Glas beim Vorgesetzten ausgeschüttet, die Mitarbeitererin darf sich zwei Kolleg(inn)en aussuchen und das Unternehmen bezahlt einen gemeinsamen Cocktailabend.

Wenn die Wissensplattform entsprechende Plugins bietet, kann das Flummiglas auch digital sein. Für wettkampforientierte Belegschaften ware so leicht eine zusätzliche Rankingliste z.B. auf einem für jeden sichtbaren Infobildschirm an der Kaffeemaschine und eine Auszeichnung des „Wissensarbeiters des Monats“ realisierbar.

Welche Herausforderung stellt Gamification an die Leitung einer IT-Abteilung im Unternehmen?

Es sind veschiedene Perspektiven zu beachten:

  1. Die Perspektive des IT-Leiters als Führungskraft: In größeren IT-Abteilungen wird der IT-Leiter Mitarbeiter mit adminisitrativen Aufgaben, aber auch Programmierer und „interne Vertriebler“ sowie Projektleiter führen. Es wird nur schwer möglich sein, für alle Mitarbeitenden ein Gamification-Setting zu finden. Die besondere Herausforderng besteht in der Hetreogenität der Adressaten und der Notwendigkeit, Gamification besonders behutsam einzuführen.
  2. Das Mangement von ganz neuen Dienstleistungen: Sollen zukünftig beispielsweise Lernplattformen oder CRM-Systeme mit digitalen Möglichkeiten zur Gamifizierung erweitert werden, müssen ggf. zusätzliche Plugins installiert und auch betreut werden. Vielleicht sind Zusatzkomponenten selbst zu programmieren. Oder Gamification wird zum Anlass genommen, ein ganz neues System zu beschaffen oder ein Bestandssystem zu ersetzen, mit allen Konsequenzen für die Datenübernahme und die Aufrechterhaltung des Betriebs. Das wird zu einem Wandel und einer Aufgabenerweiterung der IT-Abteilung führen.

Fazit

  1. Gamification hat Zukunftspotenzial: Gamification wird von Beratungsunternehmen zukünftig ein großes Potenzial für die Motivierung der Mitarbeitenden, zur Leistungserhöhung und zur Erhöhung der Bereitschaft, sich mit ungeliebten oder neuen Themen auseinanderzusetzen, unterstellt.
  2. Gamification muss zum Umfeld passen: Damit Gamification wirkt, müssen die Maßnahmen zum Unternehmen, zu den Mitarbeitenden und zu den fachlichen Inhalten passen. Einfach Incentives oder wettkampforientiert Punkte zu verteilen reicht nicht oder kann der Motivation sogar abträglich sein. Für die Konzeption von Gamification-Ansätzen steht ein weites Spektrum von etablierten Methoden und Theorien aus der Motivationsforschung und der Lehr- Lernforschung zur Verfügung. Im Bereich der (Hochschul-) Lehre ist Gamification schon verbreitet.
  3. Gamification als Prozess denken: Gamification muss, wenn es dauerhaft wirken soll, in Qualitätsüberlegungen (kontinulierlicher Verbesserungsprozess) einbezogen werden, die Wirksamkeit und die Akzeptanz ist zu prüfen. Die Wirtschaftsinformatik ist in besonderem Maße Auslöser für die Notwendigkeit von und Enabler für Gamification, da betriebliche Anwendungssysteme die Mitarbeitetenden häufig vor Veränderungszwänge stellen, aber durch die Digitalisierung andererseits auch Möglichkeiten für die kostengünstige Implementierung von Gamification gegeben sind.

 

Quellen

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