Phänologisch Imkern im Winter

Bild von drei Bienenstöcken auf 1300m Höhe im Allgäu nahe Nesselwang im Winter. Die Deckel sind mit Steinen beschwert. By Claus Brell

Phänologisch Imkern im Winter ist ein Beitrag in der zehnteiligen Serie zur Bienenhaltung nach dem phänologischen Kalender. Bienen ist das Konzept unseres starren gregorianischen Kalenders nicht vermittelbar, in ihren Lebensäußerungen orientieren sich Bienen eher an vergangenen und aktuellen Temperaturverläufen in der Natur als an Kalendermonaten.

17.02..2024

Andere Beiträge der Serie:

Phänologisch Imkern im Vorfrühling

Phänologisch imkern im Erstfrühling

Weitere folgen.

Übersicht

In den ersten beiden Abschnitten erfahren Sie, was Bienen im Winter tun und welche Aufgaben auf die Imkerin und den Imker zukommen. Weiter hintern sehen Sie, wie sich das phänologische Jahr gliedert, wie das letzte Jahr war und wo wir aktuell stehen im Jahresverlauf

Was tun Bienen im Winter?

Der Idealfall – die Winterruhe

Wenn sich die Bienen gesund und gut versorgt fühlen(*), gehen sie in die Winterruhe. Dies ist nicht mit einem Winterschlaf gleichzusetzen. Nach den ersten Nachtfrösten verlässt die Königin die Eilage (d.h. sie legt keine Eier mehr). 21 Tage später schlüpfen die letzten jungen Arbeiterinnen und die Bienen müssen sich vorerst nicht mehr um die Brut kümmern(**). Um Energie zu sparen, drängen sich die Bienen in einer sogenannten Wintertraube zusammen. Während die Bienen im Brutnest versuchen, eine Temperatur von knapp 35°C zu halten, ist die Temperatur in der Wintertraube deutlich niedriger. Die Temperatur in der Wintertraube liegt zwischen 14°C und 25°C, an der Wabe darf sie nicht unter 9°C sinken, da die Bienen sonst erfrieren und abfallen (Ritter 2014). Gelegentlich wärmen die Bienen die Wintertraube kurz auf. Die Vermutung für dieses Verhalten ist, dass die Bienen damit die nächste Reihe des eingelagerten Honigs erwärmen und so besser an ihr Futter kommen.

Der Energieverbrauch der Bienen sinkt je nach Volksstärke und Beutentyp auf 20 g bis 80 g Honig pro Tag. Wenn die Bienen brüten, benötigen sie deutlich mehr.

An warmen Tagen über 10°C kann es zu Reinigungsflügen kommen.

Der Problemfall – Weiterbrüten

(*) Was bedeutet „gesund und gut versorgt“? Die Beobachtung vieler Imker zeigt, dass Bienen, die z.B. noch eine hohe Varroa-Belastung oder zu wenig Futter haben, versuchen, den Mangel durch mehr Arbeit auszugleichen. Sie brüten also weiter, um noch Futter eintragen zu können oder um kranke Arbeiterinnen zu ersetzen. Dadurch wird der Lebenszyklus der Bienen gestört. Der erhöhte Futterverbrauch kann dann zum Verhungern des Volkes führen.
(**) Ab der Wintersonnenwende am 21. und 22. Dezember werden die Tage wieder länger. Die Bienen spüren dies und beginnen oft wieder mit dem Brutgeschäft (Ritter 2016, S. 205).

Was tun Imker im Winter?

Bienen in Ruhe lassen

Am Besten gedeihen meine – ich nennen sie „Die Verwahrlosten“ – Völker, die ich weitgehend sich selbst überlasse. Gut eingefüttert, auf Varroa kontrolliert und/oder behandelt, sollten sie alleine gut über den Winter kommen. Ein digitales Bienenstockmonitoring (vgl. das Biene40 Projekt oder das AI4Bee Projekt) kann dabei unterstützen. Viele Varroa-Konzepte sehen eine Restentmilbung im Winter vor. Meine eigene Erfahrung ist, dass das Risiko eines Völkerverlustes im Folgejahr sinkt, wenn die Bienen, wenn sie brutfrei sind, einmal(***) mit Oxalsäure gegen Varroa behandelt werden, unabhängig von vorangegangenen Varroazählungen.

(***) Eine wiederholte Träufelbehandlung mit Oxalsäure kann den Bienen schaden (Ritter 2016 S. 210).

Varroa-Behandlung

Sobald die Bienen keine Brut mehr haben (21 Tage nachdem die Königin aus der Eilage gegangen ist), kann mit Oxalsäure bei einer Wirksamkeit von ca. 95% restentmilbt werde. Entsprechende Anleitungen finden sich im Internet oder einschlägigen Büchern. Seit 2023 darf in Deutschland nicht nur geträufelt und gesprüht werden, sondern es ist auch eine Oxalsäureverdampfung zugelassen. Imkerkollegen berichten, dass die Verdampfung zeitsparender und schonender für die Bienen ist.

Stellt sich keine Brutfreiheit ein und wird ein brütendes Volk mit Oxalsäure behandelt, ist die Wirksamkeit der Oxalsäurebehandlung in Abhängigkeit der Brutmenge reduziert – sie ist jedoch nicht Null.

Futterkontrolle

Haben die Bienen noch lange gebrütet oder die Königin ist nicht aus der Eilage gegangen, kann auch bei guter Einfütterung der Vorrat knapp werden. Das lässt sich feststellen durch

  • Gewichstkontrolle durch einseitiges Anheben der Beute (bienenschonenend)
  • ein kurzer Blick auf den Oberträger (teilweise bienenschonend)
  • Ziehen von Rähmchen und abschätzen des Futtervorrats (bienenbelastend)
  • Beobachtung des Gewichtsverlauf mit einer digitalen Stockwaage (bienenschonend)
  • Beobachtung des vertikalen Temperaturprofils in der Beute mit digitalen Sensoren (bienenschonend, vgl. Brell 2020))

Haben die Bienen zuwenig Futter, so sollte nachgefüttert werden. Ein einfaches und schnelles Verfahren ist die Auflage von Futterteig(IV) auf den Oberträger. Ein Zuviel gibt es bei der Fütterung nicht – Bienen geht es besser, wenn sie im Überfluss leben.

(IV) Als Notfütterverfahren propagieren verschiedene Autoren unterschiedliche Vorgehensweisen. Als bienengeeignetes Futter wird der eigene Honig gesehen. Das setzt voraus, dass noch Futterwaben zumindest von diesem Stand im Lager sind. Haben diese Waben Frost gesehen, sind auch potenzielle Erreger von von Nosema ceranae abgetötet. Bei einigen Kollegen funktioniert die Notfütterung mit Sirup „von unten“ – bei tiefen Temperaturen gelingt das bei meinen Bienen eher nicht. Futterteig benötigt in der Tat zusätzlich etwas Wasser – meinen Bienen genügt das Kondenswasser an der aufgelegten Folie. Das LAVES sieht auch den höheren Energiebedarf bei der Verwertung von Futterteig kritisch.

Tote Völker abräumen oder bienendicht verschließen

Leere Beuten mit viel Futter und verlassener Brut, wenigen oder gar keinen Bienen sind typisch für Varroaschäden. Aus diesen oder anderen Gründen eingegangene Bienenvölker sind eine Gefahr für andere Bienen, die Beuten müssen bienendicht verschlossen werden. Ist man unsicher, ob das Volk noch lebt, hilft ggf. eine Klopfprobe weiter. Ein kurzes (ggf. sehr leises) Aufbrausen ist ein gutes Signal. Ein längeres Heulen deutet auf Weisellosigkeit hin. Wenn kein Geräusch zu hören ist, befinden sich wahrscheinlich keine lebenden Bienen mehr im Bienenstock.

Wie funktioniert der phänologische Kalender?

Phänologie

Die Phänologie befasst sich mit den im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Wachstums- und Entwicklungserscheinungen der Pflanzen. Da Pflanzen keinen Kalender haben, orientieren sie sich am Temperaturverlauf („Wärmesummen„) und an den Lichtverhältnissen im Jahr. Phänologen unterscheiden – statt vier – zehn Jahreszeiten, vom Vorfrühling, Erstfrühling und Vollfrühling bis hin zum Winter. Das Wort „Phänologie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt „Lehre von den Erscheinungen“. Die Entwicklung bestimmter Zeigerpflanzen wie Schneeglöckchen, Haselnuss, Holunder und Eiche definiert den phänologischen Kalender und bestimmt den Wechsel der phänologischen Jahreszeiten.

Wodurch ist der phänologische Winter gekennzeichnet?

Der phänologische Winter ist an kein festes Datum gebunden. Die Phänologie erfasst den Jahreslauf nach periodisch wiederkehrenden Erscheinungen wie dem Entwicklungsstand der Pflanzen. Phänologischer Winter ist der Zeitraum zwischen Ende der Vegetationszeit und Haselblüte. Wenn die Stieleiche und die letzten spätreifen Apfel-Sorten ihre Blätter und die Europäische Lärche (Larix decidua) ihre Nadeln verlieren, dann beginnt der phänologische Winter. Das kann Mitte November, aber auch später sein. Das Ende ist gekennzeichnet durch die Haselblüte, im langjährigen Mittel ist das etwa Mitte Februar. Der phänologische Winter kann aber auch bedeutend früher enden, Anfang und Ende des phänologischen Winters sind regional unterschiedlich.

Im Winter entwickeln sich weder Wildpflanzen och Nutzpflanzen (lediglich Rosen blühen gern Ende Dezember). Es gibt keine Tracht.

Wo stehen wir heute im phänologischen Kalender?

Aus den Eintrittszeiten charakteristischer Vegetationsstadien kann das phänologische Jahr konstruiert und in einer sogenannten Phänologischen Uhr darstellt werden. Der Stand der Vegetationsstadien basiert auf Meldungen von Beobachtern,  Der Deutsche Wetterdienst sammelt die Beobachtungen und bereitet sie in einer phänologischen Doppeluhr auf (Abb. 1). Im äußeren Ring der phänologischen Doppeluhr ist der langjährige mittlere Verlauf der phänologischen Jahreszeiten dargestellt. Im Vergleich dazu ist der aktuelle Verlauf der phänologischen Jahreszeiten im inneren Ring abgebildet. Die Dauer einer phänologischen Jahreszeit (in Tagen) wird sowohl beim äußeren als auch beim inneren Ring direkt im Ring bzw. im jeweiligen Ringabschnitt angegeben. Der Deutsche Wetterdienst aktualisiert die phänologische Uhr wird einmal in der Woche am Dienstag.

Abb. 1: Die aktuelle phänologische Uhr. Quelle: Deutscher Wetterdienst

Wie verlief das letzte phänologische Jahr?

Abb. : Die phänologische Uhre für das vergangene Jahr. Quelle: Deutscher Wetterdienst

Anhang

Quellen zum Weiterlesen

Bienefeld, Kaspar (2005) Imkern Schritt für Schritt. Kosmos, Stuttgart. Insbes. S. 28-30, 36-40

Brell, Claus (2020) Genug Futter im Stock? – Temperaturmessung zeigt`s an. In: bienen&natur 03.2020, München. S. 36-37.

Deutscher Wetterdienst (o.J) Phänologische Uhr. Online Ressource. https://www.dwd.de/DE/leistungen/phaeno_uhr/phaenouhr.html

Pohl, Friedrich (2017) 1×1 des Imkerns – Das Praxisbuch. Kosmos, Stuttgart. Insbes. S. 68-69, 78-79, 152-153, 160-161

Ritter, Wolfgang (2014) Bienen naturgemäß halten. Ulmer, Hohenheim. Insbes. S. 10, 78-79, 121-122, 138-143
(Das Buch von Dr. Ritter sei ausdrücklich empfohlen, auch wenn kein Interesse an „naturgemäß“ besteht. Die klaren Zeichnungen und prägnanten Darstellungen, beldegt durch Quellenangaben, vermitteln Hintergrundwissen, das nicht nur Neulingen, sondern auch schon teilweise erfahrenen Imkern helfen kann.)

Ritter, Wolfgang, Schneider-Ritter, Ute (2021) Das Bienenjahr – Imkern nach den 10 Jahreszeiten der Natur. 1. korrigierter Nachdruck. Hohenheim. Insbes. S. 203-213

Klein, Adelheit Maria (2023) Phänologischer Kalender – Der Winter. In: bienen&natur 12/2023 S. 40-41

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Futterteig selber machen: https://www.bienenundnatur.de/imkerpraxis/imkertechnik/futterteig-selbst-machen-so-gehts-922

Informationsblatt des LAVES Nr. 7 (Futtersirup und Futterteig) https://deutscherimkerbund.de/userfiles/downloads/satzung_richtlinien/7_Bienenfutter.pdf

 

Glossar

Futterteig

Futterteig ist eine feste Mischung von verschiedenen Zuckerarten mit etwas Wasser. Der Gesamtzuckergehalt von z.B. ambrosia (Nordzucker) beträgt über 85,5%. Zugesetzte Enzyme erleichtern den Bienen die Aufnahme und Verwertung. Bei selbstgemachtem Futterteig mit eigenem Honig übernehmen die Enzyme im Honig diese Rolle.

Varroa-Milbe

Die Varroamilbe lebt vom Fettkörper (Speicherorgan) und dem Blut (Hämolymphe) der Honigbienen und vermehrt sich in deren Brutzellen auf Kosten des Bienennachwuchses. Mit ihren Mundwerkzeugen kann die weibliche Milbe die Haut der Bienenlarve und -puppe anstechen. Dies gelingt ihr auch bei erwachsenen Bienen, wenn sie sich dazu mit ihrem flachen Körper zwischen die Hinterleibs-Segmente der Biene zwängt.

Die Varroa-Milbe ist für ihren Lebenszyklus zwingend auf Honigbienenvölker angewiesen.

Weisellosigkeit

Das Bienenvolk hat seine Königin verloren.

Autor und Lizenz

Autor: Prof. Dr. rer. nat. Claus Brell, aktuelle Projekte: Biene40AI4Bee
Lizenz: CC BY

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