ARIS – was ist die Architektur integrierter Informationssysteme?

ARIS Sinnbild

ARIS spielte eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der ersten SAP-Systeme. Erfunden an der Universität des Saarlandes, ist ARIS heute ein gängiger Ordnungsrahmen, mit dem Informationssysteme konzeptioniert und analysiert werden.

„ARIS – was ist die Architektur integrierter Informationssysteme?“ ist Teil der Artikelserie „Methoden der Wirtschaftsinformatik von Null auf Hundert

Stand 17.11.2024

UPDATE 01.09.2025

Betriebliche Informationssysteme

Betriebliche Informationssysteme sind in der Regel kompliziert. Um bei der Planung neuer oder der Analyse vorhandener Informationssysteme die Komplexität zu reduzieren, gibt es verschiedene Rahmenmodelle, von denen die Architektur Integrierter Informationssysteme (ARIS) insbesondere in Deutschland etabliert hat.

Was ist ein Betriebliches Informationssystem? Ein betriebliches Informationssystem unterstützt die Leistungsprozesse innerhalb eines Unternehmens und die Austauschbeziehungen zwischen Betrieb und Umwelt. Beispiele betrieblicher Informationssysteme sind beispielsweise

  • Warenwirtschaftssystem mit Internet-Shop für ein Handelsunternehmen.
  • Bestandsverwaltung und Ausleihsystem für eine Bibliothek.
  • Lehrgangs- und Dozentenverwaltung für ein Weiterbildungsinstitut.
  • CAD-System und Patentrecherchesystem für ein Ingenieurbüro.
  • …..

Betrieblicher Informationssysteme bestehen aus Informationstechnik (IT), also Computerprogrammen, Datenbanken und Kommunikationsnetzen (vereinfacht) und werden von Personen (also Menschen) in unterschiedlichen Organisationseinheiten benutzt. Das Zusammenspiel von IT, Menschen und Organisation zu beschreiben ist das Ziel von ARIS.

Das ist ARIS

ARIS wurde ARIS stützt sich auf eine Fünf-Sichten-Architektur, die in Form eines Hauses angeordnet ist (ARIS-Haus). Diese fünf Sichten oder Perspektiven sind die Organisations-, Daten-, Leistungs-, Funktions- und Steuerungssicht. Bis auf die Leistungssicht – das ist das, wie mit dem Informationssystem Geld verdient wird – sind die Sichten noch in jeweils drei konzeptionelle Beschreibungsebenen unterteilt (Fachkonzept, DV-Konzept, Implementierung). So bildet das ARIS-Rahmenmodell eine Möglichkeit, verschiedene etablierte Methoden einzusortieren (Abb. x). Beispielsweise werden in der Ebene Fachkonzept der Steuerungssicht Prozesse mit erweiterten Ereignisgesteuerten Prozessketten beschrieben, in der Ebene DV-Konzept der Datensicht findet sich das Relationenmodell nach Codd, um Daten und Ihre Beziehungen untereinander zu beschreiben.

ARIS ist kein rein technisches Rahmenmodell, in der Ebene Fachkonzept der Organisationssicht finden Sie als Darstellungsform für den Aufbau eines Unternehmens die Organigramme. In den weiteren Abschnitten lernen Sie Modellierungsmethoden in den unterschiedlichen Beschreibungsebenen in den Perspektiven kennen.

Darstellung des ARIS Hauses mit fünf Perspektiven und je drei Beschreibungsebenen

Abb. 1: Das ARIS-Haus mit fünf Perspektiven und jeweils drei Beschreibungsebenen (bis auf Leistungssicht)

ARIS wurde von August-Wilhem Scheer an der Universität des Saarlandes entwickelt. Seine Leistungsfähigkeit zeigte ARIS insbesondere bei der Konzeption des Informationssystems des Walldorfer Unternehmens SAP.

Die ARIS-Perspektiven

Organisations-Perspektive

Die Organisationsperspektive beschreibt die Aufbauorganisation in Form eines Organigramms ( Organigramm – wer tut was im Unternehmen? ), die Topologie der eingesetzten oder geplanten IT-Landschaft und beschreibt die Technik der Vernetzung der IT-Geräte untereinander. ( Topologie ).

Daten-Perspektive

Daten sind die Beschreibung des Unternehmens im Computer. Daten werden im ERM und mit Relationenmodellen visualisiert und beschrieben( Daten und Datenmodellierung (1)Datenmodellierung mit dem Relationenmodell nach Codd ). Ein Datenmodell stellt immer eine Blitzlichtaufnahme des Unternehmens dar, währen Prozessmodelle die Dynamik und die Veränderungen aufzeigen.

Funktionen-Perspektive

Die Funktionen beschreiben Transformationen von Datensätzen, bringen also die Dynamit in das ARIS-Konzept. Funktionen sind die Kernbestandteile von Geschäftsprozessen und beschreiben, was in einem Prozess passiert.  Die Funktionen werden in Form einer Hierarchie modelliert. Die Funktionen leiten sich wiederum aus den Zielen eines Unternehmens ab ( Vom Zieldiagramm zum Funktionshierarchiebaum )

Leistungs-Perspektive

Die Leistungsperspektive ist in ARIS wenig formalisiert. Im Grundsatz behandelt die Leistungsperspektive alles das, was Geldflüsse im Unternehmen verursacht, also Produkthierarchien, aber auch Zielhierarchien.

Die Steuerungs-Perspektive

Als verbindendes Element integriert die Steuerungs-Perspektive alle anderen Perspektiven. Hier sind die Geschäftsprozesse angesiedelt. Geschäftsprozesse werden in ARIS mit Erweiterten Ereignisgesteuerten Prozessketten modelliert ( Geschäftsprozess modellieren mit eEPK) . Es gibt Unternehmen, die beschreiben ihre Prozesse mit Elementen aus den Programmablaufplänen oder Flussdiagrammen ( Algorithmus – Kochrezept für Handlungsabläufe ) .Ein Geschäftsprozess ist dabei ein Ablauf von betrieblichen Funktionen, der zu einem vom Unternehmen gewünschten Ergebnis führt. Dieses Ergebnis wird oft Umsatz in irgend einer Form sein. Ein Unternehmen hat in der Regel mehrere Geschäftsprozesse. Die Gesamtheit aller Geschäftsprozesse bilden die „Process-Map“ oder Geschäftsprozesslandkarte. Ein Geschäftsprozess wird durch ein definiertes Ereignis ausgelöst und transformiert ‚Input‘ durch den Einsatz materieller und immaterieller Güter zu einem ‚Output‘. Die Funktionen werden in der Funktionen-Perspektive modelliert.

Anhang

Quellen

ARIS in Gablers Wirtschaftslexikon

Scheer AW. (1998) Modellierung der einzelnen ARIS-Sichten. In: ARIS — Modellierungsmethoden, Metamodelle, Anwendungen. Springer, Berlin, Heidelberg DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-97731-2_2

Heinrich, L. J.; Heinzl, A.; Roithmayr, F. (2014): Wirtschaftsinformatik – Einführung und Grundlegung.

Laudon, K. C.; Laudon, J. P.; Schoder, D. (2022): Wirtschaftsinformatik – Eine Einführung.

Becker, J.; Kugeler, M.; Rosemann, M. (Hrsg.) (2013): Prozessmanagement – Ein Leitfaden zur prozessorientierten Organisationsgestaltung.

Gaitanides, M. (2007): Prozessorientierung – Der Weg zur kundenorientierten Wertschöpfung.

Glossar

Flussdiagramm

Ein Flussdiagramm (engl. Flowchart) ist ein grafisches Modellierungswerkzeug, das Prozesse, Abläufe oder Algorithmen in Form von Symbolen und Verbindungen darstellt. Es dient der Visualisierung, Dokumentation, Analyse und Optimierung von Arbeits- und Informationsflüssen. In der Wirtschaftsinformatik wird es insbesondere eingesetzt, um Geschäftsprozesse, Informationssysteme und Softwarelogik verständlich und standardisiert abzubilden. Flussdiagramme (manchmal auch: Programmablaufplan) können Sie dazu verwenden, um Abläufe eindeutig grafisch zu beschreiben. Flussdiagramme sind in der Norm DIN 66001 standardisiert.

Prozess

Ein Prozess im betriebswirtschaftlichen Sinne ist eine zeitlich-logisch geordnete Abfolge von Aktivitäten oder Aufgaben, die auf die Bearbeitung eines betriebswirtschaftlich relevanten Objekts gerichtet sind und zu einem definierten Ergebnis führen. Prozesse transformieren dabei Input (z. B. Informationen, Materialien, Ressourcen) in Output (z. B. Produkte, Dienstleistungen, Entscheidungen).

Merkmale von Prozessen sind:

  • Abgeschlossenheit: Ein Prozess hat einen klar definierten Anfangs- und Endpunkt.
  • Sachlogik: Die einzelnen Aktivitäten stehen in einem inhaltlich sinnvollen Zusammenhang.
  • Zeitliche Ordnung: Schritte folgen in einer bestimmten Reihenfolge.
  • Prozessprägendes Objekt: Jeder Prozess bezieht sich auf ein zentrales Objekt (z. B. Rechnung, Bestellung, Kundenanfrage).
  • Wiederholbarkeit: Prozesse laufen regelmäßig oder wiederkehrend ab.

Folgende Arten von betriebswirtschaftlichen Prozessen gibt es:

  • Geschäftsprozesse: Wertschöpfende Abläufe, die direkt zur Erreichung der Unternehmensziele beitragen (z. B. Auftragsabwicklung, Produktion).
  • Unterstützungsprozesse: Indirekt wertschöpfend, sichern die Funktionsfähigkeit (z. B. Personalwesen, IT-Support).
  • Managementprozesse: Steuerung und Kontrolle des Unternehmens (z. B. Strategieentwicklung, Controlling).

Bedeutung von Prozessorientierung in der Betriebswirtschaft

  • Effizienzsteigerung: Durch Prozessanalyse und -optimierung können Kosten gesenkt und Durchlaufzeiten verkürzt werden.
  • Qualitätssicherung: Standardisierte Prozesse sichern gleichbleibende Ergebnisse.
  • Transparenz: Prozesse machen Abläufe nachvollziehbar und erleichtern die Kommunikation.
  • Digitalisierung: Prozesse bilden die Grundlage für Automatisierung und den Einsatz von Informationssystemen.

Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen:

  • Prozess vs. Projekt: Ein Prozess ist wiederkehrend und standardisiert, ein Projekt ist einmalig und zeitlich befristet.
  • Prozess vs. Funktion: Funktionen beschreiben Aufgabenbereiche (z. B. Vertrieb), Prozesse hingegen die abteilungsübergreifenden Abläufe.

Wirtschaftsinformatik

Die Wirtschaftsinformatik ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die sich mit der Gestaltung, Entwicklung, Einführung und Nutzung von Informations- und Kommunikationssystemen (IKS) in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft beschäftigt. Sie verbindet Inhalte und Methoden der Betriebswirtschaftslehre (BWL), der Informatiksowie angrenzender Disziplinen wie Rechtswissenschaft, Soziologie oder Ingenieurwissenschaften.

Gegenstand und Zielsetzung der Wirtschaftsinformatik:

  • Analyse und Modellierung von Geschäftsprozessen und Informationsflüssen.
  • Entwicklung und Einführung von Anwendungssystemen (z. B. ERP-Systeme, CRM-Systeme).
  • Integration von IT und Unternehmensstrategie, um Wettbewerbsvorteile zu schaffen.
  • Bewertung von Technologien hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Nutzen.
  • Gestaltung der Mensch-Computer-Interaktion und benutzerfreundlicher Systeme.

Teilgebiete der Wirtschaftsinformatik:

  • Informationssysteme: Aufbau, Architektur und Management betrieblicher Anwendungssysteme.
  • Datenmanagement: Datenbanken, Data Warehousing, Big Data, Business Intelligence.
  • Softwareentwicklung: Methoden, Werkzeuge und Vorgehensmodelle.
  • IT-Management: IT-Governance, IT-Strategie, IT-Controlling.
  • E-Business & digitale Märkte: Online-Handel, Plattformökonomie, digitale Geschäftsmodelle.
  • Prozessmanagement: Modellierung, Optimierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen.

Abgrenzung

  • Informatik: Fokus auf technischen Grundlagen, Algorithmen und Softwaretechnik.
  • BWL: Fokus auf ökonomische Fragestellungen, Organisation und Management.
  • Wirtschaftsinformatik: Schnittstelle, die beide Perspektiven integriert und praxisnah anwendet.

Bedeutung in Praxis und Forschung

  • Unternehmen nutzen Wirtschaftsinformatik, um Effizienz zu steigern, Kosten zu senken und Innovationen voranzutreiben.
  • Forschung entwickelt neue Methoden und Technologien für die digitale Transformation.
  • Gesellschaftlich trägt die Disziplin zur Gestaltung der Informationsgesellschaft bei, etwa durch E-Government oder digitale Bildung.

Autor und Lizenz

Autor: Prof. Dr. rer. nat. Claus Brell, aktuelle Projekte: Biene40, Steel4Bees
Lizenz: CC BY

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