Vom Zieldiagramm zum Funktionshierarchiebaum

Sinnbild Zieldiagramme und Funktionshierarchiebäume

Zielhierarchien und Funktionshierarchiebäume liefern am Ende die Funktionen, mit denen erweiterte ereignisgesteuerte Prozessketten (eEPK) für die Modellierung von Geschäftsprozessen aufgebaut werden.

„Vom Zieldiagramm zum Funktionshierarchiebaum“ ist Teil der Artikelserie „Methoden der Wirtschaftsinformatik von Null auf Hundert“

Zieldiagramme und Funktionsbäume sind im ARIS-Konzept in der linken Perspektive des ARIS-Hauses angesiedelt.

Zur Übersicht über die Methoden geht es hier.

Wie liest man hierarchische Darstellungen?

Hierarchische Darstellungen, die meist wie umgedrehte Bäume (Baumstruktur) aussehen, werden neben Zielhierarchien  und Funktionsbäumen auch bei Organigrammen verwendet und sind eine gebräuchtliche Visualisierungsform, wenn es um Sachverhalte mit „folgt aus“, „ist Teil von“ oder „ist untergeordnet zu“ geht. Mathematisch gesprochen besteht eine Hierarchie aus Knoten und Kanten. Knoten sind die „Objekte“ und entsprechen oft realen „Dingen“, Kanten sind die Zuordnungen, wobei von oben nach unten Zuordnungen verzweigen können, von unten nach oben eher nicht. Wenn Verzweigungen von unten nach oben nicht vermeidbar sind, liegt vermutlich eine  Matrixstruktur vor und eine Hierarchie ist ggf. nicht die geeignete Visualisierungsform. Grundsätzlich kann eine Hierarchie wie in Abb. 1 aussehen. Die Verzweigungen nach unten nennt man auch Äste, die letzen Knoten, von denen keine Zuordnungen mehr weitergehen, nennt man auch Blätter. Der eine Knoten, von dem alles ausgeht, heißt Wurzelknoten oder nur Wurzel.

Grundsätzliche Darstellung einer Hierarchie oder Baumstruktur

Abb. 1: Grundsätzliche Darstellung einer Hierarchie bzw. Baumstruktur

Was sind Zieldiagramm und Funktionshierarchiebaum

Welche Ziele verfolgt das Unternehmen, die  mit der Modellierung dargestellt und unterstützt werden sollen?

Strukturierung und Detaillierungsgrad von Zielen können durch ein Zieldiagramm dargestellt werden. Ein Zieldiagramm definiert Unternehmensziele und gliedert die Teilziele hierarchisch.

Aus den Zielen leiten sich Tätigkeiten und (Geschäfts-)Prozesse ab, die die Zielerreichung unterstützen. Tätigkeiten bestehen aus Funktionen, die die Daten eines Unternehmens transformieren. Die Funktionen werden in Teilfunktionen soweit zerlegt, bis eine weitere Untergliederung aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht mehr sinnvoll ist. Die Zerlegung in Teilfunktionen wird als Funktionshierarchiebaum dargestellt. Die Blätter des Funktionshierarchiebaums liefern die Funktionen für die erweiterten Ereignisgesteuerten Prozessketten (eEPK).

Was ist ein Ziel?

Ein Ziel ist eine konkrete Beschreibung eines Zustandes in der Zukunft.

Beispiel für eine Zielformulierung: „Wir sind Marktführer (größter Umsatz) für versandgehandelte Schokobonbons bis zum 31.12.2030“

Eine Zielformulierung ist im Idealfall  S.M.A.R.T. S.M.A.R.T. ist eine Zusammenstellung der ersten Buchstaben der Adjektive spezifisch (S), messbar (M),  akzeptierbar (A), realistisch (R) und terminiert (T).

Spezifisch heißt, das Ziel ist konkret beschrieben und damit gegen andere mögliche Ziele abgegrenzt. Die Beschreibung soll von verschiedenen Menschen gleich verstanden werden und keinen Interpretationsspielraum bieten.

Messbar heißt, es soll zu einem späteren Zeitpunkt entscheidbar sein, ob das Ziel erreicht wurde oder nicht. Absolute Zahlen oder nicht-relative Formulierungen („größte“, „meiste“) deuten auf ein messbares Ziel hin.

Akzeptierbar heißt, dass sich die Stakeholder (Mitarbeiter, Investoren) und möglichst die Unternehmensumwelt (Kunden, Lieferanten, Anwohner an Betriebsstätten …) mit dem Ziel anfreunden können. „Welt in Schutt und Asche legen“ und „Verluste für unsere Anleger in Kauf nehmen“ sind typische Gegenbeispiele.

Realistisch heißt, es sollte klare Indizien geben, dass das Ziel auch erreicht werden kann. Gibt es klare Indizien, aber es wird schwer, ist ein Ziel ambitioniert. Fehlen die klaren Indizien, ist es eher eine Vision.

Terminiert heißt, dass ein konkreter Zeitpunkt in der Zukunft angegeben ist, an dem entschieden werden kann, ob das Ziel erreicht wurde oder nicht.

Wie kann ein Zieldiagramm entwickelt und visualisiert werden?

Ein Zieldiagramm wird in einer Hierarchie oder Baumstruktur dargestellt. Dabei gehen Sie von einem Oberziel als Wurzelknoten aus, z.B. das oben genannte S.M.A.R.T.e Ziel “ „Wir sind Marktführer (größter Umsatz) für versandgehandelte Schokobonbons bis zum 31.12.2030“. Für das Diagramm kürzen Sie das Ziel ab mit „Markführer Schokobons 2030“.

Leiten Sie daraus Teilziele ab. Bei der Zielbeschreibung im Rahmen eines Projektplans wäre das dann die sogenannten „Meilensteine“. Teilziele für das oben genannte Beispiel könnten sein: „Drei Schokobon-Varianten bis 2025 entwickelt“, abgekürzt „3 Varianten 2025 entwickelt“, „Durchführung Marketingkampagne ‚Schokolade ist gesund‘ 2024“, abgekürzt „Kampagne 2014 durchgeführt“ und „90% der Mitbewerber bis 1 Mio Umsatz 2023 aufgekauft“ abgekürzt „Konkurrentenkauf 2023 abgeschlossen“

Die Teilziele untergliedern Sie weiter, hier nur am Beispiel „Konkurrentenkauf 2023 abgeschlossen“. Mögliche Teilziele dazu wären „Marktanalyse Mitbewerb 2021 abgeschlossen“ und „Vertragsverhandlung Mitbewerb 2022 abgeschlossen“ und „Finanzierungskampagne 2013 durchgeführt“.

Die Ziele, die Sie nicht weiter untergliedern, sind die „Blätter“ des Zieldiagramms (der Zielhierarchie) und bilden den Ausgangspunkt für die Ableitung der betrieblichen Funktionen, die Sie wiederum im Funktionshierarchiebaum weiter zerlegen.

Beispiel für ein Zieldiagramm

Abb. 2: Beispiel eines Zieldiagramms

Elemente eines Zieldiagramms

Ein Zieldiagramm besteht i.w. nur aus den Elementen für die (Teil-) Ziele und die Verbindungen dazwischen. Den Zielen können noch erfolgsbestimmende Faktoren zugeordnet werden. Ziele sind die Knoten in der hierarchischen Diagrammform und werden als nach oben gerichtete Blockpfeile (oder Häuschen) dargestellt. Die Verbindungen sind die Kanten in der hierarchischen Diagrammform und werden durch einfache Striche modelliert. Abb. 3 listet die drei Elemente auf.

Elemente für ein Ziel Diagramm

Abb. 3: Elemente eines Zieldiagramms

Aus einem Ziel den Funktionshierarchiebaum ableiten

Abb. 4 beschreibt den verschlungenen Weg von der Zieldefinition zu den betrieblichen Funktionen. Unterlegt ist eine „Prozesssicht“. Ein Geschäftsprozess operationalisiert den Weg zur Zielerreichung und fasst betriebliche Tätigkeiten zusammen. Ein Geschäftsprozess wird aus den Funktionen zusammengesetzt. Nachdem mit Hilfe des Zieldiagramms die betrieblichen Ziele auf leicht operationalisierbare Teilziele heruntergebrochen wurden, können Sie nun die Funktionen bestimmen, die die Daten des Unternehmens so transfomieren, dass die Zielereichung möglich wird.

 

Der veerschlungene Weg vom Ziiel zur betrieblichen Funktion

Abb. 4: Der Weg vom Ziel zur Funktion

Aus einem Teilziel wird also eine Funktion bestimmt, die das Ziel in Tätigkeit umsetzt. Im Beispiel in Abb. 5 ist „Markt untersuchen“ als übergreifende Funktion zur Erreichung des Ziels „Mitbewerb analysiert“ identifiziert. Die übergreifende Funktion wird in mehreren Schritten verfeinert, bis als Blätter des Funktionshierarchiebaums elementare Operationen auf Datensätze, die die Mitbewerber charakterisieren, herausgearbeitet sind. Diese Blätter zu erhalten ist der Sinn und Zweck der Erstellung von Zieldiagrammen und Funktionshierarchiebäumen.

Funktionshierarchiebaum, aus einem Teilziel abgeleitet

Abb. 5: Beispiel – vom Ziel zum Funktionshierarchiebaum

Elemente eines Funktionshierarchiebaums

Ein Funktionshierarchiebaum besteht nur aus den zwei Elementen Funktion und die Verbindungen dazwischen. Funktionen sind die Knoten in der hierarchischen Diagrammform und werden als Kästen mit abgerundeten Ecken dargestellt. Die abgerundeten Ecken sind wichtig, damit es keine Verwechslung mit Datenobjekten (Kästen ohne Abrundung) sprich Entitätstypen aus der Datenmodellierung gibt. Die Verbindungen sind die Kanten in der hierarchischen Diagrammform und werden durch einfache Striche modelliert. Abb. 6 listet die zwei Elemente auf.

Elemente eines Funktionshierarchiebaums

Abb. 6: Elemente eines Funktionshierarchiebaums

Gliederungsmöglichkeiten für Funktionshierarchiebäume

Es gibt i.w. drei Gliederungsmöglichkeiten für Funktionshierarchiebäume, wenn man sie als Basis für die Architektur von Informationssystemen nutzen will:

  1. Prozessorientierte Gliederung
  2. Verrichtungsorientierte Gliederung
  3. Datenorientierte (objektorientierte) Gliederung

Dabei kommt der datenorientierten Gliederung eine besondere Bedeutung zu.

Bei der prozessorientierten Gliederung werden die Funktionen zusammen gruppiert, die zusammen an einem Geschäftsprozess beteiligt sind. Das könnten z.B. die Funktionen

  • Lieferanten auswählen
  • Anfrage erstellen
  • Bestellung schreiben

für einen Geschäftsprozess „Materialkauf“ sein.

Bei der verrichtungsorientierten Gliederung werden Funktionen mit gleichen oder zumindest ähnlichen Trans-formationsvorschriften auf Daten zusammengefasst. Z. B. können das in der Buchhaltung alle Funktionen sein, die irgendwelche Buchungssätze erfassen und in eine Datenbank schreiben.

Der datenorientierten Gliederung kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie

  • generisch ist und – ein kluges Datenmodell vorausgesetzt – eine schnelle Entwicklung von Anwendungssystemen zulässt.
  • in einigen Softwareprogrammen quasi das Entwurfsmuster bestimmt (z. B. alle Tabellenkalkulationen, einfachee Datenbanksysteme wie Access oder PHPMyAdmin für MySQL)
  • schon lange bekannt ist (die Fa. IBM war Ende derAchtzieger der Meinung, dass SQL und ein gutes Datenmodell für Fachabteilungen völlig ausreichend ist).
  • im Grundprinzip einfach und auch für jeweils Fachfremde schnell zu durchschauen ist.

Abb. 7 zeigt einen solchen an Bestelldaten orientierten  Funktionshierarchiebaum. Die Blätter des Baumes entsprechen dem CRUD-Konzept: Create, Read, Update, Delete. Auf diese vier Grundoperationen auf einzelne Tabellen eines relationalen Datenbankmanagementsystems lassen sich alle Datenoperationen zurückführen.

datenorientierte Gliederung eines Funktionshierarchiebaums - CRUD Create Read Update Delete

Abb. 7: Datenorientierte (objektorientierte) Gliederung eines Funktionshierarchiebaums

Nutzen des Funktionshierarchiebaums

Ausgehend vom Wurzelknoten – der aus einem Blatt des Zieldiagramms abgeleitete Hauptfunktion – werden die Funktionen immer detaillierter, die letzte Funktionen ohne ausgehende Verbindungen sind die Blätter der hierarchischen Gliederung. Die Blätter sind dann die Funktionen, die in der Geschäftsprozessmodellierung z.B. in die erweiterten Ereignisgesteuerten Prozessketten (eEPK) eingesetzt werden.

Weitere Modellierungsmethoden

Topologie

Geschäftsprozess modellieren mit eEPK

Daten und Datenmodellierung (1)

Quellen

ARIS erklärt von Prof. Fettke in der Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik

Tabakgarage – Eine Fallstudie für die Wirtschaftsinformatik

Abts, Dietmar & Mülder, Wilhelm (2017) Grundkurs Wirtschaftsinformatik – Eine kompakte und praxisorientierte Einführung. 9. Auflage. Wiesbaden. S. 483-484.

Hansen, Hans Robert; Mendling, Jan; Neumann, Gustaf (2019) Wirtschaftsinformatik. 12. Auflage. Berlin. S. 145-149

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