Eine Bienenstockwaage steht auf der Wunschliste viele Imker. Der Selbstbau ist nicht schwierig und manche Imker konstruieren ihre eigene Stockwaage. Die Physik der Wägezellen – hier werden ausschließlich Wägezellen betrachtet, die das Gewicht mit Dehnungsmessstreifen ermitteln – hält jedoch ein paar Überraschungen parat, die die Zuverlässigkeit von Wiegeeinrichtungen einschränken. Dieser Beitrag „Temperaturabhängigkeit von Wägezellen für Stockwaagen“ untersucht insbesondere die Störeinflüsse „Temperatur“ und „mechanische Konstruktion“ einer Bienenstockwaage.
Vorläufiges (Zwischen-)Ergebnis: Es zeigt sich, dass Konstruktionen mit zwei parallelgeschaltete Wägezellen mit Wheatstonschen Brücken in Verbindung mit dem HX711 temperaturabhängig sind. Preiswerte Flach-Wägezellen sind nicht so schlecht, wie der oft niedrige Preis vermuten lässt.
Die Untersuchungen wurden im Frühjahr ab 15.Februar 2025 unternommne sind noch nicht abgeschlossen. dieser Beitrag stellt jedoch schon begleitend Zwischenerbnisse zur Verfügung, so dass „Maker“ sie in ihre Überlegungen mit einfließen lassen können.
Das Titelbild zeigt den Aufbau im Freiland – mit Testgewichten aus dem Bodybuilding-Studio.
Stand: 21.02.2025, Work in Progress
Ziel der Untersuchungen zur Temperaturabhängigkeit von Wägezellen für Stockwaagen
Ziel der Untersuchungen ist, die Temperaturabhängigkeit von Messanordnungen für das Bienenstockgewicht (Bienenstockwaage, Trachtwaage) und den Einfluss der Konstruktion auf die Handhabbarkeit der Wiegeeinrichtung zu beschreiben. Insbesondere zur Temperaturabhängigkeit sollen Möglichkeiten entwickelt werden, den Einfluss der Temperatur auf die Messergebnisse algorithmisch (durch Software) zu minimieren (Temperaturkompensation).
Untersuchungsdesign
Es werden unterschiedliche Anordnung von Wägezellen mit unterschiedlichen Gewichten im Freiland und im trockenen und beheitzten Haus aufgestellt. Jede 15 Minuten wird die Temperatur und ein Messwert zum Gewicht ermittelt und über das Internet in einer Datenbank mit geschrieben.
Die Analog-Digitalwandlung der Wägezellenmesswerte erfolgt mit einem handelsüblichen HX711-Board, die Daten werden erfasst und als Rohdaten (24 Bit Ausgang des HX711, Temperatur auf 0,1°C gerundet) über WLAN übertragen. Der Zeitstempel für jeden Messwert wird auf dem Webserver ermittelt. Der zeitliche Fehler liegt unter 5 Sekunden und ist für diese Untersuchungen ohne Bedeutung. Als Microcontroller werden ESP8266 und Attiny84 eingesetzt.
Zu beachten Ist, dass immer das Gesamtsystem aus Wägezellen, Analogverstärker und Analog-Digitalwandler betrachtet wird.
In einer speziellen Messsequenz wird versucht, den Einfluss der Temperatur auf das HX711-Wägemodul zu isolieren. Dazu werden Festwiderstände in Brückschaltung verwendet. Die Temperatur der Festwiderstände wird konstant gehalten, die Temperatur des HX711 wird variiert.
Als Testgewichte kommen zum Einsatz:
- Zwei Stahl-Hanteln mit einer Masse von je 8,05 kg.
- Ein sandgefülllter Futterkanister mit einer Masse von 17,8 kg
- Milchpackungen vom Discounter im Tetra-Pack. Die Milchpackungen eigen sich zu Untersuchung der Linearität und weisen eine zuverlässige Masse von 1,080 kg auf
Probanden
Probanden sind:
- Doppel-Wägebalken: Ein Wägebalken aus einer kommerziellen Waage von beehivemonitoring.com mit zwei verschraubten Wägezellen CZL100, nominelle Gesamtbelastbarkeit 200 kg.
- Einfach-Wägebalken: Ein modifizierter Wägebalken mit nur einer Wägezelle CZL100, nominale Belastbarkeit 100 kg.
- Steel4Bees-Prototyp: Ein eigenes Konstrukt (aus dem Projekt Steel4Bees) mit preiswerten Flachwägezellen, nominelle Gesamtbelastbarkeit 100 kg.
- HX711-only: Eine spezielle Beschaltung des HX711, um Einfluss des Chips und Einfluss der Wägezellen isolieren zu können.
Erste Ergebnisse
Abb.: Temperaturabhängigkeit des Duo-Wägebalkens. Aufgetragen sind zwei Tage (Zeit auf der x-Achse) mit Gewichtsdaten (dunkelblau) und Temperaturdaten (rot). Auf der linken Seite ist ein Sprung des Gewichts zu sehen, Das wurde durch ein Lösen der Verschraubung der Wägezellen um eine Viertel Umdrehung verursacht. Die Verschraubung (der ansonsten mechanisch sehr präzise gefertigten Waage) alleine verspannt schon die beiden Wägezellen, was zu einer Verstimmung der Wheatstoneschen Brücke führt. Der Duo-Wägebalken war über Nacht draußen (Mitte des Bildes). Zu sehen ist, dass das gemessene Gewicht mit steigender Temperatur sinkt. Der temperaturinduzierte Messfehler beträgt bis zu einem halben kg. Rechts im Bild steigt die Temperatur schnell an und das gemessene Gewicht sinkt. Die Messanordnung wurde aus dem kalten Garten in das warme Arbeitszimmer umgestellt.
Abb.: Laufende Messung mit einem der Steel4Bees Prototypen. Hier werden derzeit Flachzellen verwendet. Es ist eine Temperaturabhängigkeit zu beobachten.
Anhang
Quellen und weitere Informationen zur Temperaturabhängigkeit von Wägezellen für Stockwaagen
unboxing Bienenstockwage xs Gateway 2G Solar beehivemonitoring
unboxing Bienenstockwaage BeeConn
Wägezelle – wie funktionieren preiswerte Personenwaagen-Zellen
HX711 Modul für Wägezellen an Raspberry Pi anschließen und einrichten
Temperaturkompensation im Projekt Honey Pi
Temperaturabhängigkeit des HX711 – eine Ausarbeitung im beelogger-Projekt
Glossar
HX711 Modul
Das HX711 Modul ist eine kleine Breakout-Platine, wie es möglich macht, eine analoge Widerstandsbrückenschaltung an die digitalen Eingänge eines Microcontrollers wie dem ESP8266 oder einem Klaiencomputer wie dem Raspberry Pi anzuschließen. Dazu beinhaltet der Chip HX711 einen Differenzverstärker, eine Steuerung, um den Strom durch die Brückenschaltung ein- und auszuschalten, und eine Regelschaltung, um die Spannung konstant zu halten. An einen Microcontroller wird das HX711-Modul mit GND, einer Datenleitung und einer Taktleitung angeschlossen. Die Auflösung des Moduls beträgt 24 Bit. Der HX711 A/D Wandler kann mit 2.6V bis 5.5V betrieben werden und benötigt weniger als 3mA, damit kann das Modul z.B an einen GPIO eines Microcontrollers angeschlossen werden.
Mikrocontroller
Mikrocontroller sind leistungsfähige, kompakte, programmierbare hochintegrierte digitale Schaltungen. Microcontroller enthalten einen Prozessor und alle benötigten Bausteine wie Speicher, Zeitgeber, digitale / analoge Ein- und Ausgabegeräte, usw. Alle Komponenten sind dabei auf einem Chip, deshalb bezeichnet man den Mikrocontroller auch als Ein-Chip-Mikrorechner (SoC). Beispiele für Microcontroller sind ESP8266, ESP32, Atmega328, Attiny84 (ein besonders einfacher und stromsparender Microcontroller), Raspberry Pico mit dem RP2040.
Ein Mikrocontroller hat folgende typische Eigenschaften: Er besitzt einen Programmspeicher (früher ROM, EPROM, EEPROM, heute FLASH) und einen Datenspeicher (RAM), eine Verarbeitungseinheit (CPU), (viele) digitale Eingabe- / Ausgabe- Ports (GPIO), oft analoge Eingabeports (ADC), einen oder mehrere Zeitgeber, Kommunikationsbausteine (COM, UART,…), manchmal auch spezielle Bausteine für besondere Aufgaben, z.B. LCD-Treiber.
Microcontroller werden mit einer speziellen abgespeckten Python Variante oder mit einer C-ähnlichen Sprache mit der Arduino-IDE programmiert.
Wägezelle
Eine Wägezelle ist der Umwandler eine Gewichts in ein elektrisches Signal. Oft wird eine Verformung durch die Gewichstkraft in eine Änderung eines elektrischen Widerstands umgesetzt (häufig). Es werden flächige Bauformen wie in preiswerten Personenwaagen oder balkenförmige Konstrukte verwendet. Die Wiederstände heißen Dehnungsmessstreifen, durch die Verformung des Trägermaterials ändern sie ihren Widerstand. Die Widerstandsänderung ist sehr klein, die Messwiderstände werden daher in Form einer Brückenschaltung angeordnet. Es gibt spezielle Messverstärker und Analog-Digitalwandler für Wägezellen mit Dehnungsmessstreifen, z.B. Boards, die auf dem Chip HX711 basieren.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mit der Gewichtskraft eine Stahlsaite zu spannen und die Frequenz zu messen (seltener).
Autor und Förderung, Danksagung
Die Untersuchungen mit unterschiedlichen Wägezellen erfolgt im Projekt Steel4Bees. Das Projekt wird gefördert von 10.2024 bis 02.2025 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des Förderprogramms IGP.
Abb.: Förderlogo des BMWK
Die Technik der Temperaturmessung ist ein Ergebnis des von 2021 bis 2024 geförderten Projektes Biene40.
Abb. : Förderlogo BMEL und BLE
Die Untersuchungen werden durch Vereinsmitglieder des Imkervereins Viersen Stadt und des Imkervereins Krefeld als Citizen Scientists unterstützt. Hiermit sei dafür Dank ausgesprochen.
Autor: Prof. Dr. rer. nat. Claus Brell, Vita
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