Eine preiswerte Wägezelle, wie sie in 10-Euro Personenwaagen verbaut ist, kommt gerne in DIY-Projekten, z.B. für Selbstbau-Trachtwaagen, zum Einsatz. Doch wie ist sie intern aufgebaut und wie funktioniert eine Brückenschaltung damit? An hochpreisige Präzisionswaagen wird man mit solchen Konstrukten nicht herankommen, aber einen ersten Gewichtseindruck z.B. bei Bienenstöcken lässt sich im Prinzip schon mit einer 3-Euro-Wägezelle bauen.
Update 24.02.2022: Die unten abgebildeten „Töpfchen“ hat wohl Leser inspiriert, daher stelle ich die STL-Dateien hier als Zip-Archiv zur Verfügung. DoseWägezelle210220
Update 18.12.2022: Wir haben eine kommerzielle Waage getestet, die die hier beschriebenen Wägezellentypen einsetzt (siehe Abb. 7): Preisgünstige Trachtwaage unter der Lupe
Aufbau einer preiswerten Wägezelle
Preiswerte Wägezellen bestehen aus gestanztem Blech. Die Verbiegung eines Streifens (durch Gewicht) wird durch einen aufgeklebten Dehnungsmessstreifen als dehnungsabhängigen Widerstand elektrisch messbar. Dazu wären zunächst zwei Anschlüsse an den Zellen erforderlich. Jedoch ist ein weiterer Dehnungsmessstreifen so angebracht, dass er bei Verbiegung wenig beeinflusst wird. Beide Dehnungsmessstreifen sind in Reihe geschaltet, die Verbindung ist nach außen geführt. Damit haben die Wägezellen drei Anschlüsse, in Abb. 1 weiß, rot und schwarz. Abb. 1 zeigt ebenso das Ersatzschaltbild. Die Widerstände sind entsprechend den Anschlüssen mit WR (weiß-rot) und RS (rot-schwarz) gekennzeichnet.
Abb. 1: preiswerte Wägezelle und Ersatzschaltbild
Die Dehnungsmessstreifen, die wenig von der Belastung abhängig sind, dienen in Brückenschaltungen zur Temperaturkompensation.
Ermittlung des „eigentlichen“ Mess-Dehnungsstreifens
Mit der einfachen Schaltung in Abb. 2 können Sie den Dehnungsstreifen ermitteln, der sich bei Belastung ändert. Mit drei Festwiderständen ist Teil einer Brückenschaltung aufgebaut. Ein Dehnungsmessstreifen aus der Wägezelle bildet den vierten, ggf. veränderlichen Widerstand. Bei den hier getesteten Zellen zeigte das Voltmeter für SR1 (schwarz-rot) einen Ausschlag von knapp 2mV bei Belastung mit der Kombizange, für RW1 (rot-weiß) lediglich 0,1mV. Damit ist der Streifen zwischen dem roten und dem schwarzen Kabel der eigentliche Messstreifen.
Abb. 2: Einfacher Test, um herauszubekommen, wofür die Anschlüsse sind.
Brückenschaltung
Bereits mit einer Wägezelle lässt sich eine Brückenschaltung aufbauen.
Abb. 3: Schaltung mit einer Wägezelle
Empfindlicher in der Wägung (und dabei unempfindlicher gegen Temperaturschwankungen) ist eine Brücke mit zwei Wägezellen.
Abb. 4: Schaltung mit zwei Wägezellen
Mit vier Wägezellen lässt sich eine Brücke aufbauen, die je nach Belastung eine noch höhere Spannung ausgibt. Werden die vier Wägezellen z.B. unter einer stabilen Platte angeordnet, so lassen sich Waagen aufbauen, die unempfindlich gegen die Postion des Wägegutes sind.
Abb. 5: Schaltung mit vier Wägezellen
Mit wenigen weiteren Bauteilen lässt sich so eine internetgestützte Waage aufbauen. Auf den Honey-Pi Seiten ist eine Umsetzung mit dem Raspberry Pi und dem HX711 gezeigt.
Maße der Wägezelle
Für DIY-Projekte ist es praktisch, beim Kauf des Topfbohrers im Baumarkt gleich die Maße parat zu haben. In Abb. 6 sind die wichtigsten – alle in mm – angegeben.
Abb. 6: Bemaßung einer preiswerten Wägezelle in mm
Implementierung – Aufbau einer Billig-Trachtwaage
Mit wenigen zusätzlichen Bauteilen lässt sich mit den preiswerten Wägezellen z. B. eine Trachtwaage für die Unterstützung der Imkerei aufbauen. Das Konstrukt kann in Bezug auf Messwiederholgenauigkeit, Temperaturkonstanz, Linearität etc. nicht mit den kommerziellen Systemen wie z.B. Wolf-Waagen mithalten, aber zur Erkennung von Futtermangel oder dem Trachtende sollte es genügen. Der Aufbau in Abb. 7 basiert auf einer 30cm * 30cm Platte und ist für das Mini-Plus-Beutensystem geeignet. Die Wägezellen sind in passende Töpfchen aus dem 3D-Drucker gebettet, als Widerlager dienen 5-Cent-Stücke. Bei einer Belastung von 20 kg pro Wägezelle drücken sich die Münzen nicht ein.
Abb. 7: Montage der Wägezellen auf einer Karrosserie-Sperrholzplatte
Videos
Ein kleines Imkerspielzeug (Mini Trachtwaage) aus einem studentischen Projekt.
Interessanter Artikel! Es ist faszinierend zu erfahren, wie preiswerte Personenwaagen-Zellen funktionieren. Die Tatsache, dass sie auf Dehnungsmessstreifen basieren, hat mich überrascht. Zeigt einem wieder, wie schlaue Technik im Alltag genutzt wird. Danke für die informative Erklärung!
Vielen Dank für die tolle Darstellung! Ich arbeite jeden Tag im Labor mit Waagen und es ist wirklich mal sehr interessant zu sehen, wie sowas eigentlich aufgebaut ist. Vielleicht lässt sich so auch mal das ein oder andere Problem selbst beheben!
Hallo Claus, ich bin schon länger auf der Suche nach einem 3D-Modell für Wägezellenhalterungen, aber die meisten sind nur Befestigungsklammern. Ihre orangen „Töpfchen“ besitzen auch ein Unterteil zur Aufnahme der Punktbelastung der Zellen. Die Idee mit den Centstücken finde ich genial! Besteht die Möglichkeit, die Modelldatei zu bekommen? Viele Grüße, Volker
Vielen Dank für diese Darstellung, wie Personenwaagen-Zellen funktionieren. Mein Onkel produziert Waagen und Wägezellen und erzählt mir gerne von seiner Arbeit, was ich sehr spannend finde. Spannend, wie sich mit wenigen zusätzlichen Bauteilen eine Trachtwaage für die Unterstützung der Imkerei aufbauen lässt!
Leider sind nicht alle am Markt verfügbaren Wägezellen gleich gut. Wir sidn immer noch dabei, verschiedene Systeme gegeneinander zu testen …..