Ratte oder Wühlmaus? Unliebsame Gartenbesucher sind zunächst zu identifizieren, bevor Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Hier zeige ich, wie die Erkennung „Ratte oder Wühlmaus“ gelingt. In diesem Falle handelte es sich um junge Wanderratten. Dies ist der erste Teil einer dreiteiligen Artikelserie.
Die anderen Teile der Artikelserie:
Teil 3: Ratten lebend fangen – gar nicht so einfach
Stand 03.10.2021
Entdeckung: unliebsamer Besuch
Die Entdeckung war ein Zufallstreffer. Um Herauszufinden, ab und bis wann ein Eichhörnchen aktiv ist und wann die Kaninchen den Garten zerbuddeln, kommt eine Wildtierkamera in der 60 Euro Klasse zum Einsatz. Allerdings hatten andere Tiere als Erwartet die Kamera ausgelöst (Abb. 1). Da sich im Garten auch Wühlmäuse ausgebreitet haben, war zunächst die Frage zu klären, um welche Tiersorte es sich hier handelt. Dazu können zwei Parameter herangezogen werden:
- Bevorzugtes Futter
- Körpermerkmale
Abb. 1:Erste Aufnahme mit Wildtierkamera – eine eher ungewollte Zufallsaufnahme. Hier ist noch unklar: Ratte oder Wühlmaus?
Tiersorte identifizieren: Ratte oder Wühlmaus?
Körpermerkmale lassen sich mit Hilfe einer Wildtierkamera mit moderater Auflösung nur eingeschränkt bestimmen. Bei häufigem Besuch bieten sich die gut beobachtbare Körperlänge und die Schwanzlänge gut zur Identifizierung an. Dazu verwende ich eine 50 cm lange Dachlatte, die alle 10 cm einen Markierungsstrich bekommt.
Wühlmäuse bevorzugen Wurzelgemüse, Knollen etc., Ratten eher Abfälle und kohlehydrathaltiges Futter. Dabei haben Ratten eine Vorliebe für Haferflocken. Hausmäuse lasen sich nach Vorexperimenten gut mit Schokocreme fangen.
Daher habe ich zur Identifizierung der Tiersorte einen Versuch mit drei Futtersorten (v.l.n.r Haferflocken, Schokocreme/Nuss-Nugat-Creme, Möhren) und einer markierten Dachlatte sowie einer Wildtierkamera zur Beobachtung aufgebaut (Abb. 2)
Abb. 2: Versuchsanordnung des Fütterversuchs
Das Experiment zeigt sofort eine eindeutige Präferenz der Tiere für die Haferflocken (Abb. 3). Die Schokocreme nahmen sie auch an, aber zögerlich. Die Möhren wurden weitgehend ignoriert.
Abb.: Zwei Tiere interessieren sich gleichzeitig für Haferflocken
Es gelang eine Aufnahme eines langestreckten Tieres mit der Dachlatte, so dass Körperlänge und Schwanzlänge gut abgeschätzt werden können (Abb. 4).
Abb. 4: Körperlängen Abschätzung mit markierter Dachlatte – hier etwa 37 cm, Körper und Schwanz sind in etwa gleich lang.
Erkenntnis: Es ist eine junge Wanderratte
Hausratten sind in NRW selten. Es ist also zu entscheiden: Wanderratte oder Wühlmaus.
Die beobachtbaren Unterschiede zwischen Wanderratte und Wühlmaus sind
Eigenschaft Wanderratte Wühlmaus Körperlänge 23cm 15cm Schwanzlänge 1*Körper 1/2* Körper Futter Kohlehydrate Knollen und Wurzeln
Für eine Wühlmaus ist das hier untersuchte Tier zu groß und zu kohlehydratrataffin, der Schwanz ist im Verhältnis zu lang. Es erreicht nicht die Körperlange der Wanderratte, es scheint sich um ein noch nicht ausgewachsenes Tier zu handeln. Aus den Indizien kann also auf eine junge Wanderratte geschlossen werden.
Eines der Wildtierkamera-Videos zeigt erst zaghafte Kopulationsversuche – die Tiere werden geschlechtsreif und nun sind schnell Maßnahmen erforderlich.
Anhang
Quellen
https://www.plantopedia.de/wuehlmaus-oder-ratte/
https://www.umweltbundesamt.de/wanderratte#vorbeugende-massnahmen
Glossar und Begriffsabgrenzungen, Wissenswertes
Eigenschaften von Ratten
Ratte (Fortpflanzung): Ratten (sowie auch Mäuse) sind nach zwei bis drei Monaten geschlechtsreif. Wanderratten werfen bis zu sechs Mal im Jahr etwa acht Junge, Hausratten sogar bis zu 12. Bei den Hausmäusen verhält es sich ähnlich wie bei Kanalratten: Sie bringen vier bis acht Mal im Jahr etwa vier bis acht Junge auf die Welt.
Das Besondere Gebiss der Ratten (als typische Nager): Mit weit über 2000 Arten sind die Nagetiere, zu denen die Ratten gehören, eine der erfolgreichsten und größten Gruppen unter den Säugetieren. Charakteristisches Merkmal ist ihr Gebiss, das sich speziell für das Nagen entwickelt hat. In Ober- und Unterkiefer sind je ein Paar Schneidezähne im Knochen eingebettet. Der Zahnschmelz ist vergleichsweise dick macht die Zähne besonders hart. Die Nagezähne wachsen ständig nach und durch gegenseitiges Aneinanderschleifen werden sie messerscharf. Nage- und Backenzähne sind durch eine große Lücke getrennt. Mit einem solchen Gebiss können die Tiere sogar Hartkunststoffe und Metalle wie Blei, Aluminium, Kupfer und Weißblech durchnagen. Hautfalten hinter den Schneidezähnen verhindern, dass Ungenießbares oder Bitterstoffe in die Mundhöhle geraten.
Physiologie von Wander- und Hausratte: Mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 16 bis 24 Zentimetern und einem Gewicht von bis zu 250 Gramm ist die Hausratte kleiner als die Wanderratte, sie ist im Schnitt zehn Zentimeter größer und mit einem Gewicht von bis zu 580 Gramm wesentlich schwerer als die Hausratte. Das Fell der Wanderratte ist bräunlich gefärbt, das der Hausratte ist schwarz.
Eigenschaften von Wühlmäusen
Die Wühlmaus (Arvicola terrestris), auch Schermaus genannt, kommt in ganz Europa vor. Der Kopf ist stumpf, die Ohren sind klein und fast völlig im Pelz versteckt. Die Farbe des Felles reicht von braungrau bis rotbraun oder auch schwarz. Der Schwanz ist behaart und ist etwas kürzer als die halbe Körperlänge, die ca. 15 cm beträgt. Als natürliches Siedlungsgebiet bevorzugt die Wühlmaus frische, feuchte Böden, Gräben, Wiesen, lichte Laub- und Mischwälder und vergraste Jungkulturen. An die Erdoberfläche kommt sie nur zur Wanderung und Paarung, selten zur Nahrungsaufnahme. Die Wühlmaus hält keinen Winterschlaf. Sie schädigt daher das ganze Jahr über. Das Weibchen bringt von März bis Oktober zwei bis vier Würfe mit je zwei bis fünf (selten bis zehn) Jungen zur Welt. Die Tiere des ersten Wurfes werden noch im selben Jahr geschlechtsreif. Die Vermehrungsrate beträgt mindestens 1 : 10, d. h. pro Jahr entstehen zehn oder auch mehr Nachkommen. Die Baue werden in der Regel von einem Tier bewohnt, da das Männchen nur sehr kurze Zeit beim Weibchen bleibt. Auch die jungen Wühlmäuse müssen sich einen neuen Bau anlegen. Dies führt zu einer schnellen Ausbreitung des Schädlings.
Unterschiede zwischen Ratten und Mäusen
Anders als Mäuse sind Ratten in Deutschland beim zuständigen Ordnungsamt meldepflichtig. Hinzu kommen Unterschiede in der Bekämpfung: Beispielsweise sind unterschiedliche Methodenbei Mäusen wirksamer als bei Ratten. Mäuse dürfen nicht nicht mit allen Giftarten getötet werden.
Einige körperliche Merkmale sind im Unterschied zwischen Ratten und Mäusen sehr prägnant.
- Größe: Ausgewachsene Ratten sind größer als Mäuse. Mäuse erreichen eine Körperlänge von bis zu 10 Zentimetern. Ratten können sogar 18 bis 23 Zentimeter groß werden. Hinzugerechnet wird bei diesen Angaben noch die Schwanzlänge.
- Körperbau und Proportionen: Der Rattenschwanz ist in der Regel immer kürzer als der Körper, sehr dick und im unteren Bereich blass. Ein Mäuseschwanz ist mindestens genauso lang wie ihr Körper, häufig auch länger. Wanderratten haben außerdem einen kräftigeren Körper.
- Ohren und Nase: Ratten haben relativ kleine Ohren, während sich Mäuse durch große, dünne Ohren auszeichnen. Zusätzlich ist die Nase von Ratten stumpf. Die von Mäusen ist spitz, wodurch ihre Schädelform dreieckig zusammenläuft.
- Farbe des Fells: Insbesondere Wanderratten erkennen Sie an ihrem graubraunen Fell, welches an der Unterseite in einen helleren Grauton verläuft. Hausmäuse haben eine hellgraue bis braune Fellfarbe, wobei der Bauch ebenfalls etwas heller ist.
- Rattenkot: Der Kot von Wanderratten ist 1 bis 2 cm lang, spindelförmig und dunkelbraun. Er kann leicht mit dem von Spitzmäusen verwechselt werden, der allerdings harmlos ist: Spitzmäuse sind Insektenfresser und übertragen keine Krankheiten. Sie sind außerdem keine Schädlinge. Für gewöhnlich haben Hausratten einen schmaleren und bananenförmigen Kot. Ratten haben meist bestimmte Bereiche, an denen sie ihren Kot ausscheiden.
- Mäusekot: Die Hausmaus scheidet 3 bis 8 mm langen, schwarzen Kot aus, also wesentlich kleiner als der von Ratten. Typischerweise entleeren sich die Tiere kontinuierlich und hinterlassen zwischen 60 und 80 Kotpillen am Tag an beliebigen Orten.
Entwicklungsgeschichte der Ratten
Erst vor Kurzem wurden zwei Zähne von rattenähnlichen Lebewesen entdeckt, die vor 145 Millionen Jahren lebten und als Säugetiere zu den ältesten entfernten Vorfahren des Menschen zählen. Zum Vergleich: Honigbienen gibt es seit 39 Mio Jahren fast unverändert. Honigbienen, Ameisen und Wespen hatten vor 79 Mio Jahren einen gemeinsamen Uhrahn in Form einer vegetarisch lebenden Ur-Wespe. Die rattenähnlichen Lebewesen waren ihren abgekauten Zähnen zufolge recht alt geworden – trotz der zu dieser Zeit noch lebenden Dinosaurier.
Man geht davon aus, dass die gefundendenen Zähne zwei verschiedenen Spezies kleiner Lebewesen mit Fell zuzuordnen sind, die von Insekten und möglicherweise auch von Pflanzen gelebt haben. Die Zähne sind von einem hoch entwickelten Typ, der durchbohren, schneiden und zermalmen kann. Die beiden Zähne gehören zu den ältesten Fossilien, „die zu jener Säugetier-Linie gehören, aus denen sich unsere eigene Spezies entwickelte“. Die Tiere seien behaart und wohl nachtaktiv gewesen. Auch wenn die rattenähnlichen Tiere sich stark vom Menschen unterscheiden, beschreiben die Forscher sie als „die frühesten bisher bekannten aus der Linie der Säugetiere, die zu unserer eigenen Spezies geführt haben [können]“.
Rund 40 Prozent des Genoms von Ratte, Maus und Mensch haben eine ähnliche Basenabfolge und stammen von einem gemeinsamen Vorfahren ab, der vor etwa 80 Millionen Jahren lebte – auch zu dieser Zeit, gab es noch Dinosaurier auf der Erde
Das Genom der Rattegleicht zu 90 Prozent dem menschlichen Erbgut. Zu fast allen menschlichen Genen, die mit Krankheiten in Verbindung gebracht werden, gibt es eine entsprechende Erbanlage im Rattengenom. Das Macht die Ratte zu einem guten Modellorganismus.
Neuzeit: Menschen gibt es seit ewta 300.000 Jahren und die Ratte ist seit langem ein Kulturfolger. Die ersten Ratten erreichten vor etwa 3.000 Jahren über die Fernhandelsrouten aus Asien erst Mesopotamien, dann die Levante und den östlichen Mittelmeerraum. Von dort aus breiteten sich die Hausratten während der Antike und vor allem der Römerzeit dann weiter nach Norden und Westen aus.
Autor und Lizenz
Autor: Prof. Dr. rer. nat. Claus Brell, aktuelle Projekte: Biene40, AI4Bee
Lizenz: CC BY
Inhalte des Beitrages können Sie entsprechen der Lizenz verwenden. Unter dieser Lizenz veröffentlichte Werke darf jedermann für private, gewerbliche und sonstige Zwecke nutzen verändern und auch neu ohne CC-Lizenz vermarkten. Als Urheber mache ich keine Rechte geltend.