Zum Erstfrühling startet in den Imkervereinen und Bienenzeitschriften oft das Ritual zum Winterverlust. Meist ist das Thema Winterverlust mit wenig angenehmen Emotionen besetzt. Bedeutet dem einen ein im Winter gestorbenes Volk geringere Honigerträge in der kommenden Saison, hadern andere damit, sich offensiv mit (eigenen) Fehlern auseinanderzusetzen. Dabei bietet ein gestorbenes Volk auch die Chance, zu reflektieren und zu lernen. Ein solcher eigener Fall aus dem Winter 2024 / 2025 soll hier „auseinandergenommen“ werden. Dabei sprechen zunächst die Bilder, im Anschluss erfolgt der Versuch einer Analyse.
Das Titelbild wurde mit Hilfe von Microsoft Copilot erstellt. Es stellt comicartig eine Friedhofsituation dar, in der Bienen um ihre Artgenossen trauern.
02.03.2025
Der Beitrag ist Stand heute eine erster Aufschlag und wird in der Folgezeit noch fortgeschrieben, insbesondere mit Verweisen auf die Literatur.
Bilder zum Winterverlust
Varroaschieber
Abb.: Blick auf den Varroaschieber. Das Bild zeigt den (ehemaligen) Bienensitz fluglochnah in einer Ecke – in Styroporbeuten nicht ungewöhnlich. Hellbraunes feines Wachs schließt Räuberei und Schaden durch Mäuse als unwahrscheinlich aus. Das Volk war schwach, das zeigen die leeren Stellen auf dem Schieber. Das war auch bekannt aus den Durchsichten in 2024 und zuletzt Anfang Januar.
Blick auf die Bienen
Abb. Blick von obern auf die Oberträger. Die Bienen hatten die Rähmchen nicht gegen den Abdeckfix verbaut, das tun sie sonst gerne. Dunkle Kotspuren deuten auf eine Durchfallerkrankung hin, die hier eher als ein ein Symptom denn als als eine Ursache des Absterbens zu sehen sind.
Abb. : Ein gut erhaltener, aber toter Drohn. Es sind noch mehrere tote Drohnen unter den toten Bienen. In Kombination mit den stehengebliebenen Drohnenzellen zu einer ungewöhnlichen Jahreszeit lässt das auf Drohnenbrütigkeit schließen.
Abb.: Das Volk ist vermutlich nicht verhungert. Es war gut eingefüttert, und auch nach dem Absterben ist noch Futter vorhanden. Öffnen der verdeckten Honigzellen mit dem Stockmeißel zeigt, dass der Honig auch flüssig und abnahmebereit ist. Der Resthonig riecht und schmeckt unauffällig und gut.
Abb.: Teilweise ausgebaute Wabe. Diese Wabe haben die Bienen nur fast ausgebaut, aber nicht mit Honig gefüllt, obwohl das Futterangebot überreichlich war. Das ist ein weiteres Indiz, dass das Völkchen schlicht zu wenig Personal hatte.
Abb.: Stehengebliebene Drohnenzellen. Im oberen Bild hat es eine Drohne nicht mehr geschafft, die Zelle zu verlassen. Das untere Bild zeigt eine verdeckelte Zelle, mit dem Stockmeißel geöffnet. Es ist eine „Person“ zu erkennen, in Kombination mit der negativen Futterkranzproben und den gesunden Nachbarvölkern ist AFB eher unwahrscheinlich.
Abb.: Toten Bienen auf dem Bodengitter. Etwa ein Honigglas voll Bienen liegen auf dem Bodengitter. Das Bodengitter ist noch teilweise frei und. belüftet, das Flugloch ist zugänglich. Oben ist eine Gesamtsicht mit Zarge gezeigt, das untere Bild zeigt eine Detailaufnahme. Die Bienen sehen weder vekümmert noch krank aus.
Abb.: Verpilzte Waben. Feuchtigkeit und Eiweiß liefern einen guten Nährboden für (vermutlich) Hefepilze. Die Pilze haben nur einige wenige Stellen in der Beute besiedelt, die meisten Wabenflächen waren pilzfrei.
Arbeiten nach dem Winterverlust
Abb.: Dampfwachsschmelzer. Die Waben werden sofort eingeschmolzen, als Schmelzergehäuse dienen die Zargen des gestorbenen Volkes, die so gleich noch gereinigt und desinfiziert werden. Der Dampfwachssechmelzer besteht aus einem Tapetenablöser, der den Dampf erzeugt, einem Adapter aus Fichte-3S-Schichtholz und einer kleinen Kunststoffwanne. Zwischen Adapter und Zargen ist ein Metall-Absperrgitter angebracht. Diese Konstruktion ist schnell aufgebaut, sie braucht wenig Stauraum und sie leistet schon seit Jahren gute Dienste.
Abb.: Desinfektion des Holzbodens. Die Mini Plus Styrozargen stehen auf Holzböden, auf die ein Holz-Adapterring geschraubt ist. Nach dem mechanischem Reinigen und Abbürsten mit Waschlösung werden die Böden abgeflammt und damit desinfiziert.
Abb. : Das ausgechmolzene Wachs, zusätzlich zwei mal in Wasser ausgekocht. Es ist, da es aus bebrüteten Waben stammt, dunkel und hier grünlich. Für Mittelwände empfehle ich solches Wachs nicht. Zum Experimentieren oder zur Holzpflege – z.B. indem es zu Wachsseife weiterverarbeitet wird – lässt es sich verwenden. Nach zwei Kochvorgängen riecht das Wachs erstaunlich gut. Die 12 Mini Plus Rähmchen des Winterverlust-Volkes ergaben 238g Wachs.
Abb. : Silikon-Muffin-Förmchen eigenen sich dazu, um ais dem Wachs handhabbare Stücke zu portionieren. Hier wurde die Hälfte des Wachses verwendet. Der kleine Topf ist technisch ein Simmertopf. Das Wachs, in Slikonförmchen gegossen, kühlt schnell ab. Die Wachsstücke sind recht stabil, fühlen sich glatt an und dienen u.a. als Demonstrationsstücke zum Anfassen.
technische Bilder
Abb.: Bienen-Friedhof – ein eher schräges Bild für die Winterverlust-Friedhofsituation. Das Bild hatte Microsoft Copilot erstellt, es waren aber noch einige weitere Schritte erforderlich, bis die Diskrepanz der fröhlichen Bienen auf dem Bienenfriedhof aufgelöst wurde. Aber immerhin – ein sehr hübsches Bild.
Analyse
Historie des Bienenvolkes
Königin und Volksentwicklung. Das Völkchen wurde früh in 2024 gebildet (24.03.2024). Die Königin wurde begattet, das Volk kam nie so richtig in Schwung, während sich ein späteren Ableger des gleichen Muttervolkes (Ende April), der in wenigen Metern Abstand steht, gut entwickelt hat. Auch mit Füttern gelang es der Königin nicht, das Volk auf zwei Mini Plus Zargen zu bringen. Das Volk ging mit 5 Wabengassen in Mini Plus in den Winter.
Varroa. Durchgängig wurde der Varroabefall mittels Bodenschieber kontrolliert, Das Volk zeigte immer keinen oder zuletzt geringen Befall, so dass eine massive Behandlung nicht angezeigt schien. Das Volk wurde im Spätsommer (trotz geringem Befall) einmal mit Thymolstreifen behandelt. (Insgesamt wurden drei Ableger, die kaum Varroabefall zeigten, mit Thymol behandelt. Einem Ableger geht es gut, zwei Ableger inkl. diesem haben den Winter nicht überlebt.) Die Winterbehandlung erfolgte durch Oxalsäure träufeln.
Mögliche Todesursachen
AFB kann ausgeschlossen werden, Tropilaelaps und Tracheenmilbe auch.
Die Kotspuren lassen zunächst eine Durchfallerkrankung vermuten. Dabei kämen grundsätzlich Nosemose, Amöbenruhr oder Ruhr in Frage. Die Nachbarvölker zeigen diese Symptome nicht, vermutlich ist der Durchfall als Symptom der unterkühlten Bienen zu betrachten.
Die Annahme eines verdeckten Varroaschadens ist meistens sinnvoll. Dabei müssen die Bienen nicht direkt an Varroa sterben, sondern die Schwächung ebnet den Weg für andere Erreger, Wespen o.ä.
Aufgrund der geringen Stärke war den Bienen vermutlich zu kalt – die Durchfallspuren sprechen dafür. Evtl. war die Königin so schlecht begattet, dass sie zunächst das notwendige Personal nicht aufbauen konnte, zum Schluss reichte es nur noch für Drohnen. Anzeichen für Drohnenmütterchen wurden im Sommer und Herbst nicht gefunden.
Imkerfehler
Vier (eigene) Imkerfehler können ausgemacht werden:
- Zu frühe Bildung eines Ablegers mit dem Risiko einer unzureichenden Begattung
- „Durchfüttern“ eines Völkchens mit einer unzureichenden Königin. Abkehren vor einem anderen Volk oder umweiseln wären bessere Alternativen gewesen.
- Behandlung eines schachen Völkchens mit Thymol scheint fraglich.
- Einwinterung eines solchen Volkes. Damit war der Winterverlust schon wahrscheinlich. Besser wäre gewesen, das Völkchen mit einem anderen zusammenzulegen.
Fazit und Lerneffekt
- Eine Varroabehandlung mit Thymol wird zukünftig nicht mehr verfolgt (zugunsten einer Kombination biotechnischer Verfahren mit Oxalsäurebedampfung).
- Auf die Bildung von frühen Ablegern wird zukünftig verzichtet.
- Völkchen, die sich durchgängig schwach entwickeln und von vornherein eine schlechte Prognose haben, werden nicht mehr durchgefüttert.
- Auf die Einwinterung von kleineren Völkern zwecks Erkenntnisgewinn wird allerdings nicht grundsätzlich verzichtet. In Mini Plus hat das in den letzten Jahren auch oft gut funktioniert.
Anhang
Quellen und Internet-Links
Zum Klären des Wachses mit Zitronensäure gibt es einen online-Artikel in der bienen&natur. Bücheler, Boris (2023) Wachs säubern für Kerzen und Mittelwände. online-ressource, https://www.bienenundnatur.de/imkerpraxis/wachs/wachs-saeubern-fuer-kerzen-und-mittelwaende-582
Pohl, Friedrich (2029)Handbuch Bienenkrankheiten – Vorbeugen, Erkennen, Behandeln. KOSMOS, Stuttgart.
Glossar
Amerikanische Faulbrut (AFB)
Die Amerikanische Faulbrut (AFB) ist eine ansteckende Brutkrankheit der Honigbiene (Apis mellifera). AFB wird durch Bakterien (Paenibacillus larvae) ausgelöst. Die Larven sterben kurz vor oder während der Puppenphase. Sichere klinische Symptome ist braune schleimige fadenziehende Masse aus zersetzten Larven in den Brutzellen (Larven gerade verstorben) oder festsitzender Schorf aus der getrockneten braunen Masse. Mittels Futterkranzprobe wird das Bakterium im Labor nachgewiesen. Die Amerikanische Faulbrut ist in Deutschland anzeigenpflichtig.
Amöbenruhr
Die Amöbenruhr wird durch einen einzelligen Parasiten (Entamoeba histolytica )verursacht, sie ist ansteckend. Der Erreger vermehrt sich im Dickdarm, ansteckungsfähige Zystenformen werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Unter feuchten und nicht zu warmen Umweltbedingungen können diese mehrere Wochen und Monate infektionsfähig bleiben. Symptome sind dünnflüssiger, goldgelber Kot, starker Durchfall, Krabbler, flugunfähige Bienen mit zitternden Flügeln, aufgetriebener Hinterleib, verkotete Waben und Beutenteile sowie erhöhter Totenfall.
Nosema
Nosemose ist eine Pilzerkrankung der erwachsenen Honigbiene (Arbeiterinnen, Drohnen und Königinnen), die zu Durchfallsymptomen führt. Nosema ist bei der Westliche Honigbiene weit verbreitet. Erkrankte Bienen scheiden mit ihrem Kot Sporen aus. Die Sporen werden oral mit dem Futter aufgenommen und sind auf Waben und Beutenoberflächen sowie iim Futtervorräten zu finden. Die Sporen bleiben über ein Jahr ansteckungsfähig.
Nosema apis führt vor allem im Frühjahr zu Symptomen, die sich im Rückgang der Bienenpopulation, Totenfall und Kotflecken („Pünktchenkette“) auf Waben und Flugbrett äußern. Nosema ceranae (mittlerweile häufiger) führt hingegen ganzjährig zum Auftreten von flugunfähigen Bienen („Krabbler“), dem Rückgang der Bienenpopulation, geringerer Honigproduktion bis hin zum Völkerzusammenbruch.
Ruhr
Als Ruhr bezeichnet man eine nicht ansteckende Durchfallerkrankung, die meist durch eine Störung der Winterruhe verursacht wird (Mäuse, schlagende Äste, stetige Tropfen). Die Störung führt zu einer übermäßigen Futteraufnahme der Bienen. Auch ungeeignetse oder verdorbenes Futter kann die Ursache sein. Typischer Zeitpunkt für das Auftreten ist Januar bis März (Pohl 2019 S. 86). Kennzeichen sind Verkotungen auf den Waben, der flüssige Kot trocknet dunkelbraun bis schwarz und kann sich in den Zellrinnen sammeln. Von Ruhr zu unterscheiden sind die Amöbenruhr und die Nosemose. Weder Farbe noch Konstistenz noch Geruch des Bienenkots lassen eine eindeutige Zuordnung zu einer Krankheitsursache zu. Als Behandlungsvarianten kommen abwarten oder, wenn die Bienen Futter annehmen, die Gaben von Zuckerwasser 1:1 in Frage (LWG Bayern).
Simmertopf
Ein Simmertopf oder Wasserbadtopf ist ein spezieller Kochbehälter, der aus zwei ineinander gefügten Töpfen mit einem Zwischenraum besteht. Der Raum zwischen äußerem und innerem Topf wird mit Wasser gefüllt. Der innere Topf erhält das zu erwärmende Gut, z.B. Milch oder Bienenwachs. Durch die Erwärmung des Wassers im äußeren Topf wird der Inhalt des inneren Topfes schonend und gleichmäßig erhitzt. Dabei steigt die Temperatur im inneren Topf nicht über 100°C. Dies verhindert ein Anbrennen oder Überhitzen empfindlicher Lebensmittel oder z.B. Wachs.
Anwendungsfall in der Imkerei: In der Imkerei wird ein Simmertopf, manchmal in einer speziellen Bauweise mit Ausgussröhchen, zur weiteren Verarbeitung von Bienenwachs verwendet. Damit können dann Mittelwände angegossen oder filigrane Kerzenformen gefüllt werden.
Varroa
Eine Milbe, die parasitisch im Bienenstock lebt und die Bienen massiv schädigt. Verletzungen der Brut durch Varroen können einen Eintrittspforte für Viren sein (Flügel-Deformations-Virus). Die meisten Bienenvölker in Europa gehen spätestens im zweiten Jahr zugrunde, wenn die Varroenzahl nicht durch Behandlung wiederholt gesenkt wird.
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