Lehrpreis 2022 – schriftliches Lehrveranstaltungskonzept zur Nominierung

Studierenden hatten meine Lehrveranstaltung „Qualitative Methoden der WI und Geschäftsprozesse“ für den Lehrpreis 2022 vorgeschlagen. Im Folgenden möchte ich den Text für die Bewerbung teilen – zukünftige Studierende können sich so ein Bild meiner Veranstaltung vorab machen. Der Text orientiert sich an den „Leitfragen“, die von der Lehrpreiskommission vorgegeben waren.

18.12.2022

1. Lehr- bzw. Betreuungskonzept und Transferpotenzial

Was zeichnet die Veranstaltung / das Lehrprojekt / das Betreuungskonzept aus?

Lehrveranstaltung: Der Studiengang Cyber Security Management ist neu und trägt durch sein überproportionales Wachstum maßgeblich zum Erhalt der Studierendenzahlen der Hochschule bei. Erst kürzlich wurde mit dem NRW-Inneministerium eine Vereinbarung zur Unterstützung der Polizei durch den Studiengang geschlossen. Der Studiengang startete im ersten Corona-Jahr rein online, geplant waren 35 Einschreibungen je Semester. Zum Wintersemester 2022 haben sich nun über 180 Menschen neu eingeschrieben – das ist eine Herausforderung. Die Studierenden haben jetzt zum ersten Mal ein Präsenzsemester.

Lehrprojekt: Meine Konzeption meiner Lehrveranstaltungen richtet sich von Beginn an daran aus, dass …

1. …flexibel und notfalls im Wochen-Rythmus ein Wechsel zwischen Präsenz oder Online-Formaten (zoom) möglich ist. Im ersten Corona- Semester hatten wir noch kein zoom und so wurde ein weiterer Weg über youtube-Livestream unterstützt durch einen selbstprogrammierten Chat bestritten. Damit ist nun eine größtmögliche Resilienz und Unabhängigkeit von einer konkreten Techniklösung erreicht.

2. …ubiquitäres Lernen je nach Lernertyp möglich ist. Alle Inhalte stehen i.d.R in drei unterschiedlichen Formaten redundant zur Verfügung:
2a. Seminaristische Vorlesung mit eingebetteten Live-Übungen in Kleingruppen im Hörsaal oder Breakout-Sessions – das adressiert Studierende, die eine intensive Lernbegleitung wünschen.
2b. Videosequenzen. Sie ermöglichen das zeitlich selbstbestimmte Lernen und angeleitete Lernen mit meinen Foliensätzen (https://cbrell.de/blog/videos-zur-wirtschaftsinformatik-modellierung/)
2c. Ausformulierte Texte auf meinem Blog. Das adressiert Menschen, die lieber in eigenem Tempo lesen und gerne autodidaktisch arbeiten.

3. …einfacher Zugang möglich ist: Zentraler Anlaufpunkt für die Studierenden ist die Lernplattform Moodle (Modulkennwort „brell“, https://moodle.hsnr.de/course/view.php?id=4132 ). Moodle dient der Koordination und der Organisation des Lehr-Lerngeschehens. Für die Ablage der Lernmaterialien dient die Campus-Cloud Sciebo ergänzt durch meinen Blog (https://cbrell.de/blog/qualitative-methoden-der-wi-und-geschaeftsprozesse-lehr-und-lernmaterialien-fuer-bcsm104/ ) und youtube für meine Videos. Wichtig ist die Prämisse: keine künstlichen Lernhürden durch schwer zu bedienende Lernumgebungen, alles so einfach zugänglich wie möglich (alle meine Unterlagen sind frei verfügbar im Internet, gerne werden sie z.B. von Lehrkräften an berufsbildenden Schulen genutzt.)

Dieses Konzept verwende ich im Grundsatz in fast allen meinen Modulen, es ist somit nicht modulspezifisch.

Meine Unterlagen werden teilweise (speziell die Lernsequenz Datenhaltung und Datenmodellierung) im OER-Konzept der Hochschule, konkret im Data-Literacy-Baukasten, verwendet.

4. …ein Bezug zur Praxisorientierung und zur Forschung deutlich wird. Hierzu setze ich lebensnahe Fallstudien ein (https://cbrell.de/blog/?s=fallstudien ), ebenso nutze ich viel Beispiele aus meinen beiden geförderten Bienenprojekten Biene40 (http://bieneviernull.de) und AI4Bee (https://ai4bee.de)

5. …die Prüfung nicht angstbesetzt ist. Auch in dieser mit 180 Anmeldungen gut besetzten Veranstaltung setze ich auf Hausarbeiten, ein Teil (75%) davon kann, muss aber nicht in zwei-Personen-Teams absolviert werden. Zur feineren Leistungsdiagnostik ist der andere Teil (25%) eine Einzelleistung. Auch anderen Modulen hat sich deutlich und mit Zahlen belegbar gezeigt, dass Studierende so ein Prüfungs-Angebot schätzen

Betreuungskonzept: Wichtigste Komponente ist, für die Studierenden da zu sein. Nach der Veranstaltung (nachmittags) ist Zeit und Raum, auch Aspekte zu diskutieren, die nicht direkt zur Lehrveranstaltung gehören. Einige der Studierenden im ersten Semester, die noch Orientierung benötigen, nehmen das Angebot gerne an. Studierende sind als Lerner und als Menschen unterschiedlich. Ich bemühe mich, sie in dieser Unterschiedlichkeit an- und ernst zunehmen.
Zweitwichtigste Komponente ist die Vernetzung der Studierenden untereinander. Hierzu befördere ich die Bildung von (großen) Interaktionsgruppen, neuerdings auch über WhatsApp. Die letzten neun Jahre haben gezeigt, dass untereinander vernetzte Studierende weniger organisatorische Schwierigkeiten haben – und auch dem Dozenten Arbeit ersparen.
Die weniger gut vernetzten Studierenden nehmen mein Angebot der schnellen Mail-Kommunikation – auch am Wochenende – an.

Welche Lernziele erreichen Sie mit Ihrem Vorhaben? Welche Kompetenzen der Studierenden werden gefördert?

Lernziele: Studierende in diesem Modul lernen eine große Bandbreite der Methoden der Wirtschaftsinformatik kennen und üben sie gleich in einfachen lebensnahen Szenarien ein. Wichtig ist, dass Studierende die Methoden nicht als disjunkte Tools wahrnehmen, sondern sich den Zusammenhang erarbeiten.

Mit Hilfe welcher Medien und Methoden setzten Sie Ihre Ziele für die Lehre / für die Beratung um?

Medien sind immer der Dreiklang aus Lehrveranstaltung mit aktiven kollaborativen Phasen der Studierenden, Videokonserven und ausformulierten Texten zum Nach- und Selberlernen.

Die Lehrmethodik basiert auf einem konstruktivistischem Ansatz und folgt dem Vorgehen Zeigen->Nachmachen->Selbermachen->Übertragen.

Wie stellen Sie einen Praxisbezug oder ein Bezug zum späteren Beruf her?

Die Berufsfelder – und Berufswünsche – der Studierenden in diesem Modul sind sehr vielfältig und nicht auf Cyber Security beschränkt. In meiner Entrepreneurship-Sequenzen öffne ich den Blick der Studierenden für eine eigene Gründung – mein eigenes Unternehmen dient hier als Fallbeispiel. Ebenso nutze ich meine Kontakte zur Mönchengladbacher Gründerszene (Blauschmiede etc.) und versuche, die Studierenden in die Gründer-Netzwerktreffen einzubinden. Den Bezug zur Informationssicherheit kann ich in zahlreichen Beispielen aus meiner früheren Tätigkeit in der Landesverwaltung NRW herstellen.

Woran erkennen Sie, dass die Ziele, die Sie adressieren wollen, erreicht wurden

Zielerreichung: Ein wichtiges Instrument ist die Lehrevaluierung, hier insbesondere die Freitextantworten der Studierenden. Die Ideen hieraus nutze ich zur kontinuierlichen Verbesserung meiner Lehrveranstaltung. Zudem bemühe ich mich um einen unmittelbaren Dialog mit den Studierenden.

Auf welche Weise berücksichtigt die Veranstaltung / Ihr Lehrprojekt / Ihr Betreuungskonzept unterschiedliche Kenntnisse und Vorerfahrungen der Studierenden?

Nach etwa 40 Minuten Vorlesung folgte jeweils eine kleine Arbeitsphase, in der die Studierenden in Kleingruppen (bis zu zehn in Breakout-Sessions, bis zu sechs bei Hörsaal-Übungen) das soeben behandelte einüben. Ich „springe“ dabei von Gruppe zu Gruppe, korrigiere Fehlentwicklungen und gebe Anregungen. Hier erkenne ich unmittelbar, wo noch Schwierigkeiten sind oder ob die Studierenden meinen Inhalten folgen konnten. Ebenso zeigt sich, dass innerhalb der Gruppen schnell eine Leistungsangleichung „nach oben“ erfolgt.

Inwiefern lässt sich Ihre Lehrveranstaltung / Ihr Lehrprojekt / Ihr Betreuungskonzept auf andere Lehrveranstaltungen im Fachbereich bzw. in der Hochschule übertragen bzw. kann erstelltes Material von anderen Lehrenden genutzt werden?

Lehrprojekt übertragen: Die grundlegenden Konzepte sind einfach und können sofort auch in Großveranstaltungen eingesetzt werden. Das Wesentliche ist die Grundhaltung, die Lernenden in den Mittelpunkt zu stellen. Es sei warnend angemerkt, dass dabei der Einsatz der Lehrkraft als Person und Mensch nicht unerheblich ist.

Material nutzen: Alle meine Materialien können (gerne) frei und von jedem genutzt werden. Eine Zweitnutzung in der Hochschule erfolgt schon, meine Materialien werden unter CA-BY-Lizenz seit August 2022 im Data-Literacy-Baukasten eingesetzt*. Lehr-Lernmaterialien sollten allerdings spezifisch zum Dozenten passen, das geht am besten, wenn sie selbst erstellt sind. Wer mag, kann ALLE meine Folien herunterladen und für eigene Zwecke anpassen (https://hs-niederrhein.sciebo.de/s/b3bSf9DnpQgtko5 )
(*) Die Data-Awareness-Rallye nutze ich selber als „Fremdangebot“ im berufsbegleitenden betriebswirtschaftlichen Studiengang.

 

2.     Studierendenaktivität

Wie motivieren Sie die Studierenden zur Aktivität? Wie stärken Sie die Eigenverantwortung der Studierenden?

Das ist in der Tat eine Herausforderung, die Bereitschaft zur Eigenverantwortung scheint kontinuierlich abzunehmen.
Die Aktivierung im Hörsaal gelingt nach eher kleinen Startschwierigkeiten i.d.R. gut mit kleinen Übungssequenzen– die Studierenden nehmen die Übungssequenzen gerne an.
Im Plenumsdialog ermittle ich die Interessen der Studierenden. Oft sind Computerspiele oder die Nutzung von Sozial Media ein geeignetes thematisches Feld, wichtig ist, an die Lebenswelt der Studierenden „anzudocken“.

 Wie und in welchem Umfang erhalten die Studierenden individuelle Rückmeldung zu ihrem Lernfortschritt von Ihnen?

In diesem Modul ist eine individuelle Rückmeldung bei der großen Anzahl explizit nur in Einzelfällen möglich (manche Studierenden schicken mir ihre Ausarbeitung und bitten um Feedback). Die Rückmeldung erfolgt über die Gruppenarbeiten – nach Ende einer Sequenz stelle ich einige Gruppenergebnisse dar und kommentiere sie so „wie auch eine Kommentierung in einer Prüfungsleistung aussieht“

Wie gestalten Sie Ihre Interaktion mit den Studierenden?

Zunächst nehme ich den Studierenden die Scheu, mich anzusprechen. Das funktioniert meist gut und schnell. Als Mensch begegne ich den Studierenden auf Augenhöhe und versuche, Verbindungen meiner Lehrinhalte zum Erfahrungskontext der Studierenden herzustellen. Im Hörsaal funktioniert das gut.

Die Studierenden haben keine Scheu, mich via Mail zu kontaktieren. Lediglich dem Wunsch der Studierenden, mich bei World of Warcraft ingame zu treffen, habe ich bislang nicht entsprochen.

3.     Selbstverständnis als Lehrperson

Wie würden Sie Ihre Rolle als Lehrperson beschreiben? Worauf kommt es Ihnen an im Umgang mit Studierenden?

Augenhöhe als Mensch und Ernstnehmen der Studierenden in ihrer Unterschiedlichkeit kennzeichnen meine eigene Rollensicht. Bezogen auf Inhalte sehe ich mich als Kurator und Wegweiser. Es geht mir weniger darum, viele komplexe Inhalte zu vermitteln, sondern die Kompetenz der Studierenden zu stärken, die einfachen Inhalte auch anwenden zu können.

Inwiefern und auf welcher Grundlage entwickeln Sie Ihre Lehre / die fragliche Lehrveranstaltung / Ihr Betreuungskonzept weiter?

Inhaltlich: Es kommen neue Inhalte hinzu, andere werden obsolet. Durch meine Forschungsprojekte und die Kommunikation insbesondere mit Gründern erfahre ich, welche Inhalte aktuell wichtig sind.
Lehrprozess: Zur ständigen Weiterentwicklung des Lehr-Lernprozessen nutze ich die Evaluierung. Hin und wieder setze ich eigenentwickelte (online-)Befragungen der Studierenden ein.
Grundsätzlich: Vielleicht ist mein eigenes Selbstverständnis gar nicht so wichtig – die Friedhöfe sind voll von unverzichtbaren Personen. Wichtig ist, dass die Studierenden ermächtigt werden, später auch ohne mich ihre Kenntnisse zu vertiefen.

Das Poster zur Bewerbung: Poster-Brell-Lehrpreis2022-Bewerbung-OHNE-TON

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