Ameisen kommunizieren mit Vibrationen

Das Bild zeigt eine Zeichnung einer Blattscheiderameise.

Ameisen kommunizieren untereinander über unterschiedliche Kanäle, der wichtigste ist der über chemische Substanzen (Bota et al. 2022). Auch substratgebundene Körperschallsignale spielen eine Rolle in der Ameisenkommunikation – Ameisen kommunizieren mit Vibrationen.
Das Titelbild zeigt eine Blattschneiderameise (nach Hölldobler & Wilson 2016). Sie erzeugt Vibrationen durch Reiben von Strukturen auf ihrer Körperoberfläche und Übertragung der Vibrationen über die Mandibeln auf das Substrat.

Stand 14.04.2024

Klopfen und trommeln

Die Arbeiterinnen mehrerer Arten der Gattung Camponotus erzeugen Vibrationen, indem sie mit ihren Mandibeln und ihrem Hinterleib auf die Oberfläche der von ihnen bewohnten Holzkammern und -galerien trommeln. Die Vibrationssignale können von ihren Nestgenossinnen in einer Entfernung von bis zu 20 cm von der Quelle wahrgenommen werden. Das Trommelverhalten wird dabei als Alarm- oder als Verteidigungskommunikation eingestuft. Es kann auch als additives Signal fungieren und die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion auf einen anderen, z.B. chemischen, Reiz zu verändern.

Rosenameisen erzeugen Körperschallimpulse, indem sie mit dem Kopf auf eine harte Oberfläche klopfen (Hölldobler & Willson 2016, S. 135). Dieses Verfahren eignet sich gut für Ameisenarten, die in Holzhohlräumen oder papierartigen Nestern leben.

Kratzen und schaben

Andere Möglichkeiten zur Erzeugung von Substratvibrationen sind das Kratzen des Substrats mit den Mandibeln der Ameisen.

Reibeisen

Hölldobler und Willson (2016, S. 131) beschreiben, wie sich verschiedene Ameisenarten mit Körperschallereignissen verständigen. Während Honigbienen ihre Flugmuskulatur nutzen, um Laute wie Tuten oder Quaken zu erzeugen, verwenden Ameisen einen dünnen, quer verlaufenden Schaber an iherer Taille, den sie gegen eine gerillte Oberfläche des Abdomens reiben. Dies tun sie durch eine Auf- und Abbbewegung des Abdomens. Dieser Prozess heißt, wie oben schon ausgeführt, Stridulation. Das Geräusch ist hochfrequent und als Luftschall kaum wahrnehmbar. Die Ameisen hören es nicht, sondern nehmen es als Körperschall über das Substrat, auf dem sie stehen, mit Sensoren in den Beinen wahr. Dabei ist die Kommunikationsreichweite bis zu 25 cm.
Blattschneiderameisen nutzen die Vibrationen, um nach Hilfe zu rufen oder anderen Arbeiterinnen mitzuteilen, dass sie ein besonders nährstoffreiches Blatt gefunden haben.

Biologie des „Ameisenhörens“

Substratvibrationen und Luftschall sind oft schwer zu trennen, da ein und derselbe physikalische Mechanismus beides hervorrufen kann. Wenn eine Vibrationsquelle auf einem Substrat aktiv ist, erzeugt sie sowohl Signale, die durch die Luft übertragen werden (Schall, Luftschall), als auch Signale, die durch das Substrat wandern (Vibration, Körperschall). Wie auch z. B. Honigbienen nehmen Ameisen Substratvibrationen über Chordotonalorgane wahr, die aus scolopidialen Sensillen bestehen. Sie besitzen zwei wichtige Chordotonalorgane, nämlich ein subgenuales Organ im Schienbein, das sehr empfindlich auf Substratvibrationen reagiert, und ein Johnston’sches Organ im Stiel der Antenne. Das Johnstonsche Organ der Ameisen ist empfindlich für Ausschläge der Geißel, die durch Luftbewegungen verursacht werden, ist aber unempfindlich gegenüber akustischem Schall.

Einige Studien vermuten, dass Ameisen in der Lage sind, Luftschall im Nahbereich über haarähnliche Sensillen an den Fühlern wahrzunehmen (Hickling & Brown, 2000).

Anhang

Glossar

Chordotonalorgane

Chordotonalorgane sind Sinnesorgane von Insekten. Es handelt sich um röhrenförmige Mechanorezeptoren, die dem Tier Positionsinformationen z.B. von Gelenken vermitteln.

Sensille

Eine Sensille ist ein außenliegendes haarähnliches Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Umweltreizen. Bei Insekten werden Sensilla als Teil des Exoskeletts aus einem Borstenhaar oder Poren und zwei Sinneszellen durch die Cuticula ausgebildet.

Scolopidium

Ein Scolopidium ist eine Sinneszelle bei Insekten, die auf mechanosensorische Reize reagiert.

Subgenualorgan

Ein Subgenualorgan ist bei Insekten ein dicht unter dem Gelenk des Schienbeins gelegenes, der Registrierung von Erschütterungen (Vibration) dienendes Sinnesorgan, bestehend aus einer Gruppe von Scolopidien.

Quellen zu Ameisen kommunizieren mit Vibrationen

Hickling, Robert; Brown, Richard L. (2000) Analysis of acoustic communication by ants. J. Acoust. Soc. Am. 108 (4)

Hölldobler, Bert & Wilson, Edward (2016) Auf den Spuren der Ameisen. 3. Auflage. Heidelberg
(Dieses Buch ist eine deutsche und gut lesbare Zusammenfassung der letzten 40 Jahre Ameisenforschung. Hölldobler wurde 1965 bei dem großen deutschen Bienenforscher Martin Lindauer, selbst ein Schüler von Karl von Frisch, in Würzburg promoviert. Das Buch ist hier erhältlich. Ich empfehle es ausdrücklich.)

Julien L. Bota a, Michael G. Schöner a b, Caroline R. Schöner a, Monika J.B. Eberhard a (2022) Rustling ants: Vibrational communication performed by two Camponotus species in Borneo.

 

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