Störgeräusche mit Vogelstimmen für deep learning training – KI Sound in Bienenstöcken

Für Soundanalysen an und mit Honigbienen durch Deep Learning stehen oft nicht genug Trainingsdaten zur Verfügung. Die Aufnahmen von realen Störgeräuschen aus dem Feld in dieser Untersuchung sollen dazu dienen, durch Kombination mit zu lernenden Fällen ausreichend Trainingsdaten erzeugen zu können.

Stand 08.04.2024

Ausgangslage

Audio- und Vibrationsüberwachung haben sich als praktikable Alternative zur Fernüberwachung von Bienenstöcken erwiesen. Es ist bekannt, dass Honigbienen als Reaktion auf umweltbedingte Auslöser wie Giftstoffe oder Probleme mit der Königin bestimmte Töne erzeugen. Neben Duftstoffen kommunizieren Bienen innerhalb des Bienenvolkes auch über Vibrations- und Tonsignale. Körperbewegungen, Flügelbewegungen, hochfrequente Muskelkontraktionen ohne Flügelbewegungen sind einige dieser vibroakustischen Signale im Bienenstock. Darüber hinaus stimulieren die von den Bienen erzeugten vibroakustischen Signale das Verhalten des gesamten Bienenvolkes, z. B. die Vorbereitung eines Schwarmfluges (Abdollahi et al. 2022). Stand 2024 sind KI-gestützte Verfahren zur Erkennung von besonderen Zuständen im Bienenstock verfügbar. Die Verfahren können eingesetzt werden, um z.B. Schwarmvorbereitungen, Schwarmakte, schädliche Außeneinflüsse auf Bienen, Futtermangel und ggf. Erkrankungen wie Varroose zu erkennen. In Forschungsprojekten wird regelmäßig mit Daten aus artifizellen Settings gearbeitet, die
– eine gute und damit kostenintensive Aufnahmetechnik beinhalten
– Daten aus nur wenigen Bienenvölkern und wenigen Ereignissen berücksichtigen (*)

(*) Das liegt daran, dass z.B. Schwarmakte eher seltene Ereignisse sind im Vergleich mit Zeiten und Völkern, die nicht schwärmen. So sind brauchbare Aufnahmen von ein bis zwei Schwarmabgängen in einem Forschungsprojekt mit drei Jahren Dauer schon ein Glücksfall.

Die Verwendung dieser wenigen Daten in derzeit üblichen Trainingsprozeduren für neuronale Netze führt dazu, dass ein KI-System die Fälle „auswendig“ lernt und nur noch die Ereignisse aus den Trainingsdaten wiedererkennt.

Bei Bildklassifizierungen werden, um ein solches Übertraining zu vermeiden, größerer Datensätze aus vorhandenen Daten dadurch erzeugt, dass dem System im Training zusätzlich Bildausschnitte und künstlich verrauschte Bilder angeboten werden.

Ziel

Die Aufnahmen „Störgeräuschen mit Vogelstimmen“ in diesem Beitrag sollen Sound-Rohmaterial bieten, um damit Soundaufnahmen von interessierenden Ereignissen zu verschneiden und so ein mehrfaches an Trainingsdaten zu erhalten.
Die Störgeräusche wurden für die Vorhaben Biene40 (BMEL) und AI4Bee (ZIM) erzeugt und stehen ab sofort auch anderen Forschergruppen zur Verfügung.

Beschreibung der Störgeräusche mit Vogelstimmen

Sounddateien

Zur Zeit stehen folgende 3 Sounddateien zur Verfügung zur Verfügung

Sounddatei 1 Tonaufnahme Singvögel 02.04.2024 bis 6:30. Aufnahmeort: Riffian, Passeiertal, Südtirol, Temperatur 8°C, bedeckt, hohe Luftfeuchtigkeit, Aufnahmedauer ca. 15 Min

Sounddatei 2 Tonaufnahme Singvögel 03.04.2024 bis 06:18 Aufnahmeort: Riffian, Passeiertal, Südtirol, Temperatur 10°C, bedeckt, hohe Luftfeuchtigkeit, Aufmahmedauer ca 15 Min.

Sounddatei 3 Tonafnahme Singvögel 08.04.2024  bis Aufnahmeort Schiefbahn, Niederrhein, Deutschland, Temperatur 12°C, Aufnahmedauer ca 15 Min.

Die Aufnahmen  liegen im Format m4a unkomprimiert vor. Die Aufnahmen erfolgten mit einem Iphone 13 und der App Sprachnotizen.

Beispielhafte Analyse

Sounddatei 1

Sounddatei 1 wurde hinsichtlch der Spektralen Eigenschaften untersucht. Die Analyse erfolgte auf einem Macbook Pro mit Intel-Prozessor und der Software Audacity.

Zunächste werden Spektrogramm (Abb. 1, zeitlicher Verlauf der „lauten Frequenzen“, im Bild in orange-Farbtönen) und Spektrum (Abb. 2, Amplitude gegen Frequenz) für die gesamte Aufnahmen gezeigt. Es folgen Betrachtungen eines kurzen Ausschnittes von 6 Sekunden mit zwei Sequenzen eines Amsel-Gesangs. Durch Verwendung eines Bandpasses von 1300Hz bis 4000Hz lassen sich die Vogelstimmen isolieren (Abb. 5 und 6), durch einen Tiefpass lassen sich die Vogelstimmen entfernen.

Abb. 1: Spektrogramm und Amplitudengang der gesamten Aufnahme. Zu sehen sind Bänder im niedrigen Frequenzbereich und im Frequenzzbereich zwischen 1300Hz und 4000Hz. Die niedrigen Frequenzen können dem langam beginnenden Verkehr auf der Jaufenstraße und insbesondere dem Geräusch der Passer (Fluss) zugeschrieben werden. Die Passer ist etwa 300m, dafon 150 Tiefenmeter, vom Aufnahmeort entfernt. Der Fluss ist in weiten Teilen renaturiert und wird von Sportfischern sowie Rafting-Anbietern genutzt. Zahlreiche große abgeschliffene Felsen und Findlinge verwirbeln das Wasser, Zusammen mit der Dämpfung durch Bewuchs und Bebauung ensteht so ein quasi-rosa-Rauschen. Am Anfang und Ende der Aufnahme sind zusätztliche Geräusche durch das Ablegen und Aufnehemn des Smartphones zu sehen.

 

Abb. 2: Spektrum eines Abschnitts in der Mitte der Aufnahme. Zu sehen ist eine dominante Frequenz des Vogelgesangs um 2300Hz.

 

Abb. 3: Spektrogramm eine Ausschnitts von 6 Sekunden Dauer. Zu sehen sind die typischen Signaturen des Gesangs südtiroler Amseln. Teilweise liegen die Töne im gleichen Frequenzbereich wie das typische Tuten und Quaken, das im Bienenstock zu hören ist, wenn geschüpfte und ungeschlüpfte Jungköniginnen ihre Anwesenheit kundtun.

 

Abb. 4: Spektrum des Ausschnitts aus Abb. 3. Zu sehen sind zwei lautere Passagen von Amseln, die das Rauschen der Passer überdecken.

 

Screenshot

 

Abb. 5: Isolierte Störgeräusche für Tuten und Quaken. Der Ausschnitt aus Abb. 3 wurde durch einen Bandpass 1300Hz – 4000Hz mit einer Flankensteilheit von 48db/Oktave beschnitten, die Abb. zeigt das Spektrogramm. Der Vogelgesang ist (beim abhören) noch deutlich zu erkennen, die Störgeräusche von Fluss und Verkehr sind verschwunden.

 

Abb. 6:

Abb. 6: Spektrum des beschnittenen Ausschnitts aus Abb.5

Sounddatei 3

 

Abb. 7: Spektrogramm einer Aufnahme vom Niederrhein am 08.04.2024

 

Abb. 8: Spektrum der Aufnahme vom Niederrhein am 08.04.2024

 

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Abb. 9: Wetterdaten zum Aufnahmezeitpunkt am 08.04.2024. Die Temperatur betrug 12°C, es war wenig Wind, die Luftfeuchtigkeit hoch.

Vorschläge zur Verwendung der Störgeräusche mit Vogelstimmen

Grundsätzliches Vorgehen

Es sei ein Vorgehen in 5 Schritten empfohlen:
1. Bestimmung des Untersuchungsinteresses und damit Festlegung des interessierenden Frequenzbereichs.
2. Filterung der Störsoundaufnahmen mit einem Bandpassfilter hoher Ordnung auf den interessierenden Frequenzbereich.
3. Bestimmung der Dauer der zu untersuchenden Soundschnipsel (In Biene40 meist 10 Sekunden, in AI4Bee 2 Sekunden)
4. Zerlegung der gefilterten Störsoundaufnahemnn in entsprechend lange Dateien. Für 10 Sekunden stehen damit etwa 80 Dateien mit Störgeräuschen zur Verfügung.
5. Erzeugung der Trainingsdateien. Jeder Sounddatei mit einem interessierenden Event wird mit allen Störsounddateien mit unterschiedlicher Amplitudenverteilung gemischt (z.B. Eventdatei mit Stördatei 0% mit 100%, 25% mit 75%, 75% mit 25%, 100% mit 0%. Im Falle von 10 Dateien mit interessierenden Evens ergeben sich so 10 * 4 * 80 = 3200 Trainingsdatein.

Allgemeine hypothesenbildenen Untersuchungen an Bienenvölker

Eigene Aufnahmen mit interessierenden Events werden mit ungefilterten Stördateien wie in Schritt 5 gemischt.

Beispiel: Training auf Erkennung von Tuten und Quaken

Eigene Aufnahmen mit interessierenden Events (und ggf. Dateine mit Tuten und Quaken aus anderen Untersuchungen) werden mit bandpassgefilterten Stördateien (1300 – 4000) wie in Schritt 5 gemischt.

Beipiel: Training auf Erkennung von temperaturinduzierte Events (Heizen, Kühlen, Fächeln)

Eigene Aufnahmen mit interessierenden Events werden mit bandpassgefilterten Stördateien (80Hz – 640Hz) wie in Schritt 5 gemischt.

Beipiel: Training auf Erkennung von Flugevents (Abflug, Anflug)

Eigene Aufnahmen mit interessierenden Events werden mit bandpassgefilterten Stördateien (100Hz – 1300Hz) wie in Schritt 5 gemischt.

Anhang

Quellen und Weiterlesen zu Soundanalysen im Bienenstock

Das Biene40-Projekt zur Entwicklung vernetzter Sensoren im Bienenstock http://bieneviernull.de

Das Projekt zur Entwicklung eines KI-gestützten Bienenmonitorings AI4Bee https://ai4bee.de

M. Abdollahi, P. Giovinazzo, T. Falk (2022) Automated beehive acoustics monitoring: A comprehensive review of the literature and recommendations for future work, Applied Sciences, vol. 12, issue 8, 2022, pp 3920–3942. online ressource, https://doi.org/10.3390/app12083920,

Glossar

Quaken

Mit Quaken wird ein Geräusch aus dem Bienenstock beschrieben, mit dem noch nicht geschlüpfte Bienenköniginnen ihre Anwesenheit kundtun. Es wird vermutet, dass damit der Schutz der Ammenbienen eigefordert wird und diese verhinderen, dass eine bereits geschlüpgfte Jungkönigin ihre potenziellen Konkurrentinnen absticht.

Tuten

Tuten ist ein Geräusch, dass frisch geschlüpfte Bienenköniginnen produzieren, um ggf. vorhandenen Konkurentinnen zu identifizieren. Weitere Hinweise siehe Tuten und Quaken – Bienenkönigin und -Prinzessin kommunizieren

Danksagung

Die Untersuchung ist Teil des Projektes „Biene40 – vernetzte Sensoren für vitalere Bienen“. Biene40 ist eines von 16 geförderten Projekten (siehe Abb. Förderlogo), die unter der Vernetzungs- und Transfermaßnahme Beenovation zusammengefasst werden. Das Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Mit dem Förderaufruf „Bekanntmachung über die Förderung von Forschungsvorhaben zum Schutz von Bienen und weiteren Bestäuberinsekten in der Agrarlandschaft“ hat BMEL 16 Forschungsvorhaben, darunter „Biene40“, in drei Förderprogrammen eingeworben, die seit 2021 mit einem Fördervolumen von ca. 12. Mio. Euro umgesetzt werden. Die Vorhaben zielen auf die Entwicklung von innovativen und praxisorientierten Produkten und Verfahren für die Verbesserung der Widerstandskraft von Honigbienen, die Ermöglichung eines bestäuberfreundlichen Pflanzenbaus sowie die Entwicklung und Erprobung von Maßnahmen zur Förderung von Bienen und anderen Bestäuberinsekten in Agrarräumen. Die dazugehörige Vernetzungs- und Transfer Maßnahme „Beenovation“ verfolgt das Ziel, durch Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit eine hohe Sichtbarkeit und nachhaltige Breitenwirksamkeit der geförderten Verbundprojekte und der Fördermaßnahme sicherzustellen. Hierdurch werden sowohl der Wissensaustausch zwischen den verschiedenen beteiligten Stakeholdern aus Wissenschaft, Politik und Praxis, als auch die Innovationsprozesse der Verbundprojekte unterstützt und Synergien zu anderen Forschungsprojekten geschaffen.

Kombilogo der Förderer BMEL und BLE im Projekt Biene40

Abb.: Förderlogo

Autor und Lizenz

Autor: Prof. Dr. rer. nat. Claus Brell, aktuelle Projekte: Biene40AI4Bee
Lizenz: CC BY

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