Gerade bei tief stehendem Vollmond sieht das Auge scheinbar jedes Detail. Fotos, auch wenn mit Stativ und hoher Auflösung aufgenommen, sind in der Schärfe oft wenig zufriedenstellend. Woran das liegt und was man dagegen tun kann, beleuchtet dieser Beitrag.
Die erste Version dieses Beitrages entstand bereits 2011, als man Bilder noch mit einer Spielgelreflexkamera – hier eine Canon D40 mit weißem 70-200er Objektiv – aufnahm. Heute nimmt man vielleicht einen Raspberry Pi mit Teleobjektiv … und steht dann wieder genau vor diesen Rechenaufgaben. Auch ein neueres iPhone – wenngleich die Kamera darin schon sehr ordentlich ist – wird derzeit noch keine scharfe Mondfotos zustande bringen.
29.08.2024
Die fotografische Aufgabe
Bei der Ablichtung des Mondes muss ein Fotograf insbesondere bei langen Brennweiten aufgrund der geringen Lichtmenge zwischen ISO-Zahl, Belichtungszeit und Blende balancieren. Wünschenswert wäre, die Blendenzahl auf die höchste Abbildungsleistung des verwendeten Objektivs – oft um Blende 8 – und die ISO-Zahl für ein gutes Rauschverhältnis auf einen geringen Wert – etwa ISO 100 – einzustellen. Daraus resultieren jedoch je nach Brennweite des Objektivs lange Belichtungszeiten, die zu erheblichen Bewegungsunschärfen führen können. Die Unschärfen werden durch die Erddrehung und durch die Bewegung des Mondes um die Erde und damit der resultierenden Bewegung des Bildes des Mondes auf dem Bildsensor der Kamera verursacht. Es gibt daher eine obere Grenze für die Belichtungszeit, die von der Brennweite des Objektivs und dem Pixelabstand auf dem Sensorchip abhängt.
An konkreten Beispielen – Spiegelreflexkamera Canon 40 D, Teleobjektiv mit verschiedenen Brennweiten, wird im Folgenden die längste mögliche Belichtungszeit abgeschätzt, bei der die Bewegungsunschärfe nicht sichtbar ist.
Bewegungsunschärfe des Mondbildes
Wie kommt nun die Bewegungsunschärfe bei der Aufnahme des Mondes zustande? Die Erde dreht sich alle 24 Stunden um die eigene Achse (siehe Abbildung 1). Der Mond kreist alle 28 Tage einmal um die Erde. Für einen Beobachter auf der Erde – und für seine Digitalkamera – sieht es so aus, als würde durch die beiden überlagerten Bewegungen der Mond alle 24 Stunden und 50 Minuten oder 89.400 Sekunden um die Erde kreisen. Der Mond ist im Mittel 384.400 km von der Erde entfernt. Die aus der Erddrehung wahrgenommene Mondbewegung entspricht einer Kreisbahn mit einem Umfang von 2*Pi*384.400 km = 2,415 Mio. km und damit einer „virtuellen Geschwindigkeit“ von vMond=2,415 Mio km / 89.400 s = 27 km/s. Die reale Geschwindigkeit des Mondes um die Erde ist geringer.
Abbildung 1: virtuelle Bewegung des Mondes um die Erde (nicht maßstabsgetreu)
Optimale Belichtungszeit
Bei der Abschätzung der Belichtungszeit sind die Begriffe der geometrischen Optik [1] hilfreich. Der Abbildungsmaßstab für eine Linse, die hier als Stellvertreter für das ganze Objektiv steht, wird üblicherweise angegeben mit
(1) Beta = B / G = b / g
Dabei ist (siehe Abbildung 2):
b Bildweite, hier näherungsweise gleich der Brennweite des Objektivs von 200 mm
g Gegenstandsweite, hier näherungsweise der mittlere Abstand des Mondes von der Erde 384.400 km [2].
B Bildgröße, Monddurchmesser auf dem Sensor
G Gegenstandsgröße, realer Monddurchmesser 3.476 km
Damit lässt sich für ein Objektiv mit beispielsweise 200mm Brennweite die Größe des Mondbildes auf dem Sensor bestimmen und mit Hilfe eines Testfotos überprüfen. Der Mond wird durch das 200mm Objektiv auf ein Scheibchen von weniger als 2 mm Durchmesser auf den Sensor abgebildet:
(2) B= b / g * G = 200 mm / 384.400 km * 3476 km = 1,81 mm.
Für die o.g Kamera Canon 40 D hat der Sensor die Maße 22,2 mm * 14,8 mm mit 3888 * 2592 Bildpunkten [3], entsprechend 0,0057 Pixel pro mm. Das Bild des Mondes auf dem Chip des Bildsensors hat dann einen Durchmesser von
(3) D = 1,81 mm *3888 Pixel / 22,2 mm = 317 Pixel.
Das Testfoto, aufgenommen am 18.08.2011, bestätigt zumindest die Größenordnung des Monddurchmessers.
Mit der Geschwindigkeit des Mondes, verursacht durch die Erddrehung, lässt sich die Geschwindigkeit des Bildes auf dem Sensor bestimmen durch
(4) vSensor = Beta*vMond
= b/g vMond
=200mm/384.400km * 2*Pi*384.400km/89.400s = 0,014mm/s ~ 2,45 Pixel/s.
Damit überstreicht das Bild des Mondes je Sekunde fast zweieinhalb Pixel auf dem Sensor.
Abbildung 2: Geschwindigkeit des Mondbildes auf dem Sensor (nicht maßstabsgetreu)
Möchte man die Bewegungsunschärfe auf unter ein Pixel beschränken und noch einen Sicherheitsfaktor von 4 mit einbeziehen, so ergibt sich eine nicht zu unterschreitende Belichtungszeit von
T = ¼ * 0,0057mm / 0,014 mm/s = 1/10 s.
Für Objektive mit anderen Brennweiten als 200 mm kann dieser Wert durch die Brennweite dividiert und mit 200 mm multipliziert werden, um die jeweilige Belichtungszeit zu berechnen. Die folgende Tabelle listet die Belichtungszeit für verschiedene Objektivbrennweiten und für einen Sensor mit APS-C Format (Maße 22,2 mm * 14,8 mm) und 3888 * 2592 Bildpunkten auf:
Brennweite | Empfohlene maximale Belichtungszeit |
100 mm | 1 / 5 s |
200 mm | 1 / 10 s |
300 mm | 1 / 15 s |
500 mm | 1 / 25 s |
800 mm | 1 / 40 s |
1000 mm | 1 / 100 s |
Zur Bestätigung der Rechnung wurden Testaufnahmen gemacht. Mit einem frühen Prototypen eines Selbstbauobjektivs mit knapp 500 mm Brennweite wurde am 30.10.2011 der Mond mit derselben Kameraposition auf dem Stativ dreimal mit einem Abstand von jeweils dreißig Sekunden aufgenommen. Die Bilder wurden in Photoshop als Ebenen übereinandergelegt (Fülloption Aufhellen 100%) und dann ausgemessen (Abbildung 3). Danach überstreicht der Mond in dreißig Sekunden etwa 42 Pixel. Das entspricht nicht ganz dem erwarteten Wert von 30s*2 Pixel/s=60 Sekunden, zeigt aber, dass die Größenordnung richtig ist. Schmiegt man einen Radius an den Mond aus Abbildung 3, so lässt sich ein Durchmesser des Mondes auf dem Chip von 743 Pixel ausmessen, rechnerisch sollten es 793 Pixel sein.
Abbildung 3: Überlagerte Mondaufnahmen (Ausschnitt) mit 30 Sekunden Abstand.
Ausblick
Das Mondfoto (Abbildung 2) wurde mit Blende 4, 1/10 s Belichtungszeit und ISO aufgenommen. Mit xx Pixel, die letztendlich das Mondbild ausmachen, ist das für viele Zwecke nicht ausreichend. Um an größere Mondbilder zu gelangen, auch ohne ein langbrennweitiges Objektiv in der Geldklasse eines Kleinwagens zu besitzen, gibt es zwei Verfahren:
- detailreichere und rauschärmere Bilder durch Bilderstapel, die dann zusammengerechnet werden. Das wäre eine gute Aufgabe für einen Raspberry Pi.
- Selbstbau eines langbrennweitigen Objektivs..
Anhang
Quellen
[1] Vogel, Physik
[2] de.wikipedia.org/wiki/mond
[3] Bedienungsanleitung für Canon 40 D