Halbmarathon – mit 46 Jahren ins erste Viertel

Im Schnitt gehen bei einem Halbmarathon Frauen nach 2:09 und Männer nach 1:55 ins Ziel. Nach seinem ersten Halbmarathon-Finish vor drei Jahren eben genau mit 1:55 wollte es Claus Brell nun mit 46 Jahren noch einmal wissen: kann ein Hobbyläufer die 1:45 knacken? Mit der entsprechenden Vorbereitung: Ja, das geht! Hier sind der persönliche Erlebnisbericht und paar spannende Statistikauswertungen vom ersten Kölner Halbmarathon am 8.10.2006.

Anmerkung: Den Beitrag habe ich im Oktober 2006 geschrieben. Dann kamen ein paar Projekte dazwischen, nach 18 Jahren stelle ich den Beitrag nun zum 10.09.2024 online. Laufen geht immer.

Sonntag morgen um 8:00 füllt sich rapide der Parkplatz am Kölner Messegelände. In kleinen Grüppchen marschieren die Teilnehmer des ersten Kölner Halbmarathons zum Shuttle-Bus. Die allgemeine unterschwellige Aufregung packt mich nun auch: wann kommt der Bus? Werde ich meinen Kleiderbeutel rechtzeitig los? Und das Wichtigste: Wo sind Toilettenhäuschen?

Mehr als ein Drittel der Halbmarathonis sind Frauen: 3175 Männer und 1791 Frauen, einige über 70 Jahre alt, werden den Wettkampf erfolgreich beenden. Die Verteilung der Männer und Frauen in den Altersklassen kann man der folgenden Grafik entnehmen. Auffällig ist: die Altersklassen AK40 und AK45 stellen die größte Läufergruppe. Bei den Frauen ist die Hauptklasse AK20 auch relativ stark besetzt.

Abb 1.: Anzahl der Läuferinnen (weiß) und Läufer (schwarz) in den Alterlassen. Der typische Halbmarathonläufer ist demnach männlich und irgendwo zwischen 35 und 45. Es gibt auch einige 75-jährige Männer und 70-jährige Frauen, die sich auf die 21-km-Strecke begeben.

Im Messegelände werde ich zur gut organisierten Kleiderbeutelabgabe gelenkt. Die ersten Entscheidungen sind fällig: langärmeliges Oberteil oder nicht? Aktuell 6° sind kühl, bis 16° soll es mittags werden. Ich entscheide mich für kurz und ziehe die Plastiktüte über, die ich mit den Startunterlagen bekommen habe.

Die meisten halten es genau so, und eine Plastiktütenarmee mit dem Motiv der „Sendung mit der Maus“ wälzt sich Richtung Start.

Immer wieder schweift der Blick, um ein Toilettenhäuschen mit einer kurzer Schlange davor zu entdecken. Leider Fehlanzeige, also stelle ich mich in eine lange Schlange. Der Startzeitpunkt naht, und die Aufregung der Sportler bekommt in der Toilettenhäuschenschlange eine sanft aggressive Färbung.

Drei Minuten vor dem Startschuss ist auch das geschafft und ich muss mich auf dem Weg zum Start schon mal warmlaufen. Der „rote Block“ vorne im Startfeld ist bereits gut gefüllt. Ich entscheide mit für das Ende des vorderen Drittels, entledige mich der Maus-Tüte und mache die Pulsuhr klar. 96 Schläge pro Minute, die Startatmosphäre, die laute Musik und die Show- Aerobic-Gruppen verstärken die Aufregung noch.

Dann fällt der ersehnte Startschuss. Eine Erlösung! War das Training ausreichend? Hätte ich besser noch ein Kilo mehr abgespeckt? Noch immer geht es nicht richtig los, nur langsam setzt sich das Startfeld in Bewegung und es ist Raum für den einen oder anderen Gedanken. Dabei will ich gar nicht grübeln – ich will jetzt endlich laufen.

Nach drei Minuten geht’s über die Startmatte, ab jetzt tickt meine Zeitnahme. Der nette Herr vom Asics-Stand auf der Marathonmesse hatte mir am Vortag ein Armbändchen gefertigt, auf dem Kilometer und Zeiten aufgelistet sind. 4:59 Minuten darf ich je Kilometer brauchen, um das Ziel in 1:45 zu erreichen.

Nach dem ersten Kilometer sieht es schlecht aus – 5:23 sagt mir meine Pulsuhr. Mir kommen erste Zweifel, ob ich das gesteckte Zeitziel noch erreichen kann. Die Hauptbeschäftigung besteht darin, an den etwas langsameren Läufern vor mir vorbeizukommen. Hin und wieder weiche ich auf den Bürgersteig aus.

Ab Kilometer 2 streckt sich das Läuferfeld und ich komme – endlich – in meinen gewohnten Laufrythmus. Ich gönne mir 6 Pulsschläge mehr als im Training und langsam kommt auch die Laufeuphorie – es geht richtig los und ich fühle mich wohl.

Bei Kilometer 7 bin ich wieder „im Plan“, und die 1:45 rücken in greifbare Nähe. Das schöne Wetter tut sein übriges, besser könnte meine Stimmung gar nicht sein.

Pünktlich bei Kilometer 10 melden sich die Knie mit einem dumpfen Gefühl. Da ich das aus längeren Trainingsläufen kenne, lasse ich mir davon die gute Laune nicht verderben. Hin und wieder reicht es auch zu ein paar Späßchen mit dem Nachbarn z.B. über das Kopfsteinpflaster, das nun etwas Konzentration beim Laufen fordert.

Die Motivationsfrage stellt sich bei Kilometer 14. Nicht so vehement wie beim Marathon ab Kilometer 33, aber immerhin: warum muss ich denn unter 1:45 laufen? Ich könnte doch auch locker weitertraben, knapp unter 2 Stunden ankommen und das Wetter und die schöne Wettkampfstimmung genießen. Gerade überhole ich eine attraktive „W35“, hinter der könnte ich doch auch eine Weile herlaufen. Bei Kilometer 15 ist das kleine Motivationsloch glücklicherweise überwunden.

Auf dem letzten Versorgungsstand soll es Cola geben. Für mich ist das das Highlight überhaupt. Kilometer 18 kommt, aber kein Versorgungsstand. Das Fehlen von 0,1 Liter Cola löst eine sanfte mentale Krise aus. Das sonst übliche Not-Tütchen Espressozucker habe ich auch nicht dabei.

Dann, endlich bei Kilometer 19, kommt der ersehnte Versorgungsstand und ich bekomme meine Cola.

Der Rest der Zeit vergeht wie im Flug. Fast ohne Vorwarnung ist das Ziel da, und mit 1:43:20 laufe ich hinter der Messmatte aus.

Mit der weißen Wärmeplastiktüte, die mir freundliche Helferinnen hinter der Ziellinie übergelegt haben, trabe ich zum Erdingerstand im so genannten Versorgungsdorf. Hier treffe ich auch meinen Trainingskollegen und ein paar andere bekannte Gesichter wieder. Mit zwei Bechern Weizen alkoholfrei in den Händen lasse ich den Eindruck von hunderten Läufern mit weißen Wärmeplastiktüten, die auf der Wiese umherlaufen, auf mich wirken.

Geschafft!

Bereits am Abend sind die Ergebnisse im Internet und ich werfe mein Statistik-Programm an. Erstaunlicherweise spielt das Alter eine geringe Rolle, zumindest für die Durchschnittsleistung. Die folgende Grafik zeigt die Häufigkeiten der Finisher im 10-Minuten Zeitraster. Betrachtet ist das Gesamtfeld, Männer und meine Altersklasse (M45).

Abb. 2 : Anzahl der Finisher im 10-Minuten-Raster, von 1:10 bis 3:00 Stunden und mehr. Weiß: alle, Grau: nur Männer, schwarz: nur Altersklasse M45. Die Anzahlen sind auf die jeweilige Gesamtzahl bezogen und in Prozent angegeben. Dabei besteht das Gesamtfeld (weiß) aus 4966 Läuferinen und Läufern, davon Männer (grau) 3175 und davon Altersklasse M45 476 Läufer. Die größte Läufergruppe (jeweils um 25%) befindet sich im Zeitfenster 1:50 bis 2:00.

Eine Konstanz in der Durchschnittsleistung lässt sich über einen großen Lebensabschnitt beobachten. Die mittlere Dauer für einen Halbmarathon ist von 20 Jahren bis 60 Jahren nahezu gleich für jeweils Frauen und Männer. Unterschiede zeigen sich allerdings in den Spitzenzeiten. Die folgende Grafik gibt Durchschnittswerte und die jeweiligen Spitzenwerte in den Alterklassen wieder.

Abb.3: Durchschnittszeiten (Median) und Bestzeiten in den Altersklassen. Frauen sind als Kreis, Männer als Dreieck dargestellt. Die weißen Kreise und Dreiecke markieren den Durchschnitt, die schwarzen die Spitzenzeiten. Zu sehen ist, dass ab AK45 die Spitzenzeiten nachlassen. Die Durchschnittszeiten bleiben bis AK60 stabil. Männer sind sowohl in der Spitze als auch im Durchschnitt schneller als Frauen mit Ausnahme der Hauptklasse AK20, hier sind Männer und Frauen in der Spitze gleichauf.

Mein Ziel habe ich jedenfalls erreicht. In der Altersklasse liege ich auf dem 122. Platz (in den ersten 24,8%) und bei den Männern insgesamt auf dem 722. Platz (in den ersten 22,7%), damit darf ich mich im ersten Viertel wohlfühlen.

Aber das ist nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist: Ich habe mitgemacht und habe einen wunderschönen Lauftag erlebt.

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