Wie Temperaturmessungen im Bienenstock bei der Varroa-Restentmilbung im Winter helfen

Das Bild symbolisiert die Unterstützung des Varroamanagements durch Temperaturmessungen im Bienenstock
Wenn ein Bienenvolk im Winter brutfrei oder zumindest brutarm ist, kann es gegen Varroa behandelt werden. Es steht das Träufeln oder das Bedampfen mit Oxalsäure zur Auswahl. Bei der Entscheidung für das Verfahren und der Wahl des richtigen Zeitpunktes können Temperaturdaten aus dem Bienenstock helfen.

Ersterstellung: 13.12.2025

Link zum Erklär-Video zu diesem Beitrag auf YouTube: https://youtu.be/j21NPUduZ5I

Der richtige Zeitpunkt für die Varroabehandlung

21 Tage nach ein oder zwei frostigen Nächten kann man im Bienenvolk mit einer weitgehende Brutfreiheit rechnen. Ist es gleich nach den Frostnächten wieder sehr warm, so geht das Volk ggf. ungern aus der Brut. Abb. 2 zeigt den Verlauf der Außentemperatur im November. Die kühlen Nächte sind, neben den kurzen Tagen, für die Bienen ein Signal, den Brutbetrieb zu reduzieren oder ganz einzustellen. Ein geeigneter Zeitpunkt für eine Varroabehandlung mit Oxalsäure ist dann 21 Tage oder mehr nach den kühlen Nächten, die noch vorhandene Brut ist bis dahin geschlüpft.
Abb. 2: Verlauf der Außentemperatur (blaue Kurve) im November. Dargestellt sind drei ganze Tage, also 72 Stunden. Zu sehen ist, dass die Temperatur nachts auf unter 0°C fällt. Die Temperaturen in der Mitte der Wabe (orange) und am Oberträger (grün) sind relativ konstant. Das deutet darauf hin, dass die Bienen in der Nähe des Sensors noch brüten. Durch zwei kühle Nächte am 20.11.2025 und am 21.11.2025 kann nach 21 Tagen so ab dem 11. Dezember mit nahezu Brutfreiheit gerechnet werden.

Temperaturen als Brutindikator

Abb. 2, 3 und Abb. 4 zeigen Temperaturverläufe über die Zeit auf einer Wabe. Wenn Bienen brüten, bemühen sie sich, die Temperatur im Brutnest auf 35,4°C konstant zu halten. An der Stelle, wo die Bienen sitzen, wird der Temperaturfühler eine im Vergleich zu Außentemperatur relativ konstante Temperatur zeigen. In Abb. 2 ist eine konstante Temperatur am Oberträger zu sehen. Bei niedrigeren Temperaturen entwickeln sich die Bienenpuppen nicht richtig, die Folge können z.B. Durchfallerkrankungen oder Orientierungsschwierigkeiten der Bienen sein. Die Temperatursensoren werden diese Temperatur von 35,4°C nur dann anzeigen, wenn sie sich direkt an oder in einer bebrüteten Waben befinden. Brüten die Bienen nicht, so wird die Temperatur auf 15°C bis 25°C fallen und zudem mit der Außentemperatur schwanken. Das ist in Abb. 4 zu sehen. Abb. 3 zeigt den sinkenden Temperaturverlauf auf einer Futterwabe, die die Bienen aufgrund der fallenden Außentemperaturen nach und nach verlassen.
Abb. 3: Temperaturverlauf auf einer Wabe in der Futterzarge im Dezember. Zu sehen sind drei Temperaturgänge (rot: Unterträger, orange: Wabenmitte, grün: Oberträger) über einen Zeitraum von vier Tagen. Zwischen zwei vertikalen Teilstrichen vergehen sechs Stunden. Der Sprung in der rosa Kurve resultiert aus einem Batteriewechsel. Die Temperaturen nehmen zum 11.12.2025 auf unter 15°C ab, ein Indiz, dass sich nur noch wenige Bienen auf der Futterwabe befinden und dass sich die Bienen in der unteren Zarge zusammengezogen haben. Damit sitzen sie nicht mehr locker verteilt in der Beute, und eine Träufelbehandlung scheint effizienter als eine Bedampfung.
Abb. 4: Temperaturverlauf auf einer Wabe in der Brutzarge im Dezember. Dargestellt sind die Außentemperatur (blau) und drei Positionen auf der Wabe (grün: Oberträger, orange: Wabenmitte, rot: Unterträger). Die blaue Kurve (unten im Bild) zeigt die Außentemperatur, die am Abend des 11.12.2025 deutlich unter 5°C fällt und damit eine Indikation für eine Träufelbehandlung am Folgetag liefert. Die Temperaturen auf der ehemals bebrüteten Wabe schwanken stark mit der Außentemperatur. Das ist ein Indikator, dass das Volk kein ausgedehntes Brutnest mehr hat und mit einem Erfolg einer Oxalsäurebehandlung zu rechnen ist.

Vertikales Temperaturprofil zeigt den Bienensitz an

Bienen heizen im wesentlichen sich selbst und nicht die komplette Beute. Obgleich man meint, dass Wärme nach oben steigt, fällt die Temperatur auch oberhalb einer Bienentraube in der Beute schnell ab und nähert sich der Außentemperatur an. So ist die Temperatur an der weiter oben befindlichen Futterwabe (Abb. 3) durchweg niedriger als auf der Wabe in der Brutzarge (Abb. 4). Auf der Wabe in der Brutzarge schwankt die Temperatur am Unterträger (rot) mehr als an den anderen Messstellen. Das ist ein Indikator dafür, dass sich die Bienen eher im mittleren und oberen Bereich auf dieser Wabe aufhalten. Ebenso sinkt die Temperatur auf der darüber befindlichen Futterwabe (Abb. 3), es werden sich dort wohl wenig Bienen aufhalten.
Insgesamt deutet der vertikale Temperaturverlauf darauf hin, dass die Bienen eng zusammen in der unteren Zarge sitzen. Das wären  – in Verbindung mit einer geringen Außentemperatur um die 5°C – gute Voraussetzungen für eine Träufelbehandlung mit Oxalsäure.

Temperaturverlauf über die Zeit

Die Außentemperatur fällt nachts auch unter 5°C ab. (Abb 4).Die Wettervorhersage für den kommenden Tag (hier Freitag 12.12.2025, Abb. 5) prognostiziert für die Zeit um den Sonnenaufgang eine Temperatur von 7°C. Somit wird – nach Indikation der Beuten-Innentemperaturen und der Außentemperatur – eine Oxalsäure-Träufelbehandlung für den 12.12.2025 geplant und durchgeführt.
Abb. 5: Wetterprognose für den nächsten Tag. Wetterprognosen für die nächsten 24 Stunden haben i.d.R. eine Eintreffensquote von bis zu 95%, können also als verlässlich angenommen werden. Die Vorhersage in der Abbildung weist für den kommenden Tag (12.12.2025) eine minimale Temperatur von 6°C und teilweise trockenes Wetter aus. Details der Prognose zeigen eine Temperatur von 7°C zum Zeitpunkt des Sonnenaufgangs. Damit kann in der Frühe mit Oxalsäure geträufelt werden. Bei wärmeren Temperaturen wäre Bedampfen das Verfahren der Wahl.

Rückblick und Erfolgskontrolle

In der Tat war die Temperatur am Freitag 12.12.2025 am Bienenstock mit 6,4°C zum Zeitpunkt des Sonnenaufgang niedrig. Eine Thermografieaufnahme durch die Seitenwand der Beute (Abb. 6) am Morgen zeigt den engen Bienensitz wie erwartet. Die Bienen saßen zusammen in der unteren Zarge, eine Träufelbehandlung konnte durchgeführt werden.
Abb. 6: Thermografieaufnahme der Beute von der Seite. Es ist die Aufnahmesituation und das Display aus der Nähe gezeigt. Zu sehen ist der Helle Fleck in der unteren Zarge nahe des Fluglochs. Dort sitzen die Bienen in der Wintertraube.
Eine Kontrolle des Varroafalls (Tab. 1) dieser und zwei weiteren Bienenvölker, die zeitgleich behandelt wurden, zeigt den Erfolg der Oxalsäure-Träufelbehandlung.
Bienenvolk                          Varroafall vor Varroafall nach

Sensor-Volk, zweizarging 
Mini Plus Überwinterungssystem Holz 6 pro Tag      116 pro Tag

Volk ohne Sensoren, einzargig, 
Mini Plus Überwinterungssystem Holz 1 pro Tag      44 pro Tag 

Volk ohne Sensoren, zweizargig,
Mini Plus Standard Styropor         1 pro Tag      63 pro Tag
Screenshot
Tab. 1: Varroafall in 24 Stunden bei drei Bienenvölkern drei Tage vor und direkt nach der Oxalsäurebehandlung oben: Text, unten: als Bild
Das Ergebnis zeigt, dass ein Temperaturmonitoring bei der Prozesssteuerung im Varroamanagement hilft. Dabei muss nicht jedes Volk überwacht werden, es genügt, „Zeigervölker“ auszuwählen und das Vorgehen an diesen auszurichten.

Zur Technik der Temperaturmessungen iim Bienenstock

Die hier vorgestellte Temperaturmessung funktioniert in allen Beutensystemen. Daten für diesen Beitrag wurden in einer einer Holzbeute (Mini Plus Überwinterungssystem, zweizargig) erhoben. Es sind im vorderen Bereich nahe des Fluglochs zwei Temperatursensoren übereinander angebracht: Ein Temperatursensor ist in einer Futterwabe in der oberen Zarge montiert, ein Temperatursensor befindet sich auf einer bis vor kurzem bebrüteten Wabe in der unteren Brutzarge (Abb. 1). Jeder Temperatursensor verfügt über drei übereinander angebrachte Temperaturfühler, die Auskunft über das vertikale Temperaturprofil auf der Wabe liefern: In der Wabenmitte, am Oberträger und am Unterträger [LINK] . Die Temperaturen werden alle 15 Minuten gemessen und von einem Microcontroller auf einen Internet-Server übertragen. Dort werden die Daten grafisch aufbereitet und zum Abruf bereitgestellt.
Abb. 1: Die Positionierung der Temperatursensoren im Bienenstock. Schematisch dargestellt ist eine zweizargige Beute links in Front- und rechts in Seitenansicht. Es bedeuten: (1) Beutendeckel (2) Zarge mit Futterwaben (3) Futterwabe (4) Temperatursensor auf einer Futterwabe,  (5) Bienensitz, Wintertraube, (6) Brutzarge (7) Temperatursensor auf einer Brutwabe (8) Brutwabe  (9) Beutenboden

Anhang

Glossar

Oxalsäuredihydrat

Oxalsäuredihydrat ist ein kristallines Salz der Oxalsäure und wird in der Imkerei als Tierarzneimittel zur Bekämpfung der Varroamilbe eingesetzt. Die Anwendung erfolgt  in brutfreien (brutarmen) Völkern z.B. während der Winterbehandlung durch Träufeln,oder Verdampfen, im Sommer auch durch Sprühen.
Formel: C₂H₂O₄ · 2H₂O
Erscheinung: farblose Kristalle, wasserlöslich
Eigenschaften: stark ätzend, daher nur mit Schutzmaßnahmen handhabbar
Wirkung: Nur auf phoretische Milben (auf den Bienen sitzend), nicht in verdeckelter Brut.
Eintrag ins Bestandsbuch ist bei der Anwendung am Bienenvolk erforderlich.
Schutzmaßnahmen: Handschuhe, Schutzbrille

Varroa

Eine Milbe, die parasitisch im Bienenstock lebt und die Bienen massiv schädigt. Verletzungen der Brut durch Varroen können einen Eintrittspforte für Viren sein (Flügel-Deformations-Virus). Die meisten Bienenvölker in Europa gehen spätestens im zweiten Jahr zugrunde, wenn die Varroenzahl nicht durch Behandlung wiederholt gesenkt wird.

Varroabehandlung

Eine Behandlung der Bienen mit einem zugelassenen Varroamittel senkt die Anzahl der lebenden Varroen im Stock. Neben einer medikamentösen Behandlung (Bayvarol und Co. Ameisensäure, Oxalsäure, Thymol) können biologische Maßnahmen (Drohenschneiden, Brutentnahme) zur Behandlung eingesetzt werden.

Varroakontrolle

Zur Varroakontrolle werden auf den Schieber gefallene Varroen gezählt. Es gibt Schwellwerte (Varroen pro Tag), bei denen eine sofortige Behandlung mit einem zugelassenen Varroamittel erfolgen muss.

Literatur

bienen & Natur Sonderheft 02/2022 Varroa – richtig behandeln, Bienen gesund halten, alle Methoden im Überblick. dlv.

Liebig, Gerd (2020) Einfach Imkern.4.Auflage, Bochum

Pohl, Friedrich (2023) Varroa-Milbe – einfach und sicher bekämpfen. KOSMOS, Stuttgart

Weitere Varroa Beiträge

Varroa Bilder

Varroa behandeln – TBE und TuB im Vergleich

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Varroa Behandlung in Mini Plus 2(8) Formic Pro präparieren

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Varroa Behandlung in Mini Plus 4(8) Mini Plus Überwinterung Formica Pro auflegen

Varroa Behandlung in Mini Plus 6(8) Mini Plus Überwinterung reduziert

Varroa Behandlung in Mini Plus 8(8) Erfolgskontrolle

Autor und Lizenz

Prof. Dr. Claus Brell

Bienensachverständiger NRW

Obmann für neue imkerliche Betriebsweisen im Kreisverband Viersen

aktuelle Projekte:  Biene40,Steel4Bees

CC BY

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