Weniger Varroa – warum Bienen in kleinen Beuten resilienter gegen Milben sind

Eine Untersuchung aus 2016 deutet darauf hin, dass bei der Bienenhaltung dem Befall mit Varroa nicht nur mit den in Deutschland üblichen Behandlungsmethoden, sondern auch durch die Wahl der Unterbringung in kleineren Beuten und dem Aussetzen der Schwarmbehandlung begegnet werden kann.

Stand 18.09.2022

Ausgangslage

Die ektoparasitäre Milbe Varroa destructor (im folgenden kurz Varroa, siehe Abb. 1) vernichtet viele Völker  der europäischen Honigbiene Apis mellifera:

  1. In Europa und Nordamerika haben sich nach der Ankunft von Varroa in den 1970er und 1980er Jahren die Völkerverluste fast verdreifacht (Ellis et. al. 2010). J
  2. ährliche Verluste von über 20% der Völker wurden im US-amerikanischem Raum  um 2007 als gegeben betrachtet, wobei auch einige Imker jährliche Verluste von bis zu 90% verzeichneten (van Engelsdorp et. al. 2008).
weniger Varroa - Tote Varroamilben im Gemüll auf einem gerasterten Holzbrett als Windel, Aufnahme 26.11.2018
Abb. 1: Tote Varroamilben im Gemüll auf einem gerasterten Holzbrett als Windel, Aufnahme 26.11.2018

In Österreich identifizierten Moratwetz und andere (2029) die Varroa-Infektion als Hauptursache der Winterverluste: „In unserer Studie war der Varroa-Milbenbefall der mit Abstand wichtigste Faktor für den Winter der untersuchten Völker in Österreich. Ein Varroamilbenbefall der erwachsenen Bienen von über 40% im Herbst erhöhte die Verlustwahrscheinlichkeit im Winter auf mehr als 80 % .Die anderen in das Modell einbezogenen Faktoren erhöhten die Wahrscheinlichkeit von Winterverlusten auf maximal 6 % . Daher hatten diese Faktoren ein viel geringeres Potenzial, die Wahrscheinlichkeit von Völkerverlusten zu erhöhen.“ (Übersetzung)

Lediglich Australien und einige isolierte Standorte und Inseln sind bislang noch varroafrei (Rosenkranz et al. 2010). Ursprünglich hatte sich Varroa auf die asiatische Biene angepasst. Varroa vermehrt sich bei den asiatischen Bienenarten nur über die Drohnenlarven. Wenn Arbeiterinnenlarven infiziert sind, werden sie durch das Hygieneverhalten der asiatischen Bienen beseitigt (Peng et al. 1987). Bei europäischen Bienenarten hingegen kann sich Varroa auch in Arbeiterbrutzellen  vermehren (Boot et al. 1999), da europäische Bienen das Hygieneverhalten deutlich weniger ausgeprägt zeigen (Fries et al. 1996) . Konsens auch in Deutschland ist: Bienenvölker können hier nur überleben, wenn Imker die Bienen behandeln (Boecking & Genersch 2008). Dem entgegen stehen Beobachtungen von Populationen von in freier Wildbahn lebenden europäischen Honigbienen, die den Varroabefall überleben ohne Varroabehandlung, so in

  1. Brasilien (de Jong & Soares 1997),
  2. Russland (Rinderer et.al. 2001),
  3. Schweden (Fries et. al. 2006), i
  4. Frankreich (Le Conte et. al. 2007) und in den
  5. Vereinigten Staaten (Seeley 2007).

Das ist interessant, da  die in Deutschland übliche Behandlung mit Ameisensäure, Oxalsäure oder Mitteln wie Bayvarol nicht unkritisch ist. Die Behandlung stellt eine Belastung für die Bienen dar oder erzeugt Resistenzen bei Varroa gegen die Behandlungsmethode. Daher werden immer wieder neue und alternative Ansätze gesucht, der Varroa Herr zu werden bei minimalen Eingriffen in das Bienenvolk. Dazu ist auch solche Forschung erforderlich, die auch die vorherrschenden Paradigmen in Frage stellt.

Loftus et. al. stellten solche Untersuchungen an der renomierten  Cornell University mit Campus in Ithaca, New York (USA) an.  Wie die Harvard University, die Yale University und die Princeton University gehört die Cornell University zu den der acht Universitäten der Ivy League. Eine Übersicht über mehrere Studien von Locke an der Schwedischen Universität für Landwirtschaftswissenschaften in Uppsala kommt zu ähnlichen Befunden, dass sich natürliche varroaresistente Populationen durch eine geringere Individuenzahl und durch eine höheres Hygieneverhalten auszeichnen (Locke 2016).

Forschungsergebnisse weniger Varroa in kleineren Beuten

Eine Untersuchung von Loftus et al. aus 2016 deutet darauf hin, dass einen von der in deutschlang gängigen Haltungsweise abweichende Unterbringung der Bienen dazu führen kann, den befall mit Varroa ohne Behandlung zu senken. Im Wesentlichen kommen Loftus et al. kommen zum Schluss, dass zwei Maßnahmen die Befallsrate mindern:

  1. Haltung in kleineren Beuten vgl. Abb. 2.
  2. Reduzierung der Schwarmkontrolle und -steuerung.
Beispiel für eine kleinere Beutenform - die MiniPlus in Holz, Styropor oder Polyurethan.
Abb. 2: Beispiel für eine kleinere Beutenform – die MiniPlus in Holz, Styropor oder Polyurethan, Aufnahme 01.12.2018

Loftus et al. gingen von der Beobachtung aus, dass verwilderte Bienen in Baumhöhlen weniger unter Varroa leiden. Sie stellten die Hypothese auf, dass die Rahmenbedingungen (Eingeschränktes Platzangebot in Baumhöhlen, keine schwarmsteuernden Eingriffe) ursächlich für die Varroaresilienz sind. Die Hypothese wurde experimentell in einem Kontrollgruppendesign überprüft und bestätigt: Völker in kleinen Bienenstöcken schwärmten häufiger, hatten im geringerem Maße  Varroa-Befall (Abb. 1) und insgesamt weniger Krankheiten sowie eine höhere Überlebensrate.

weniger Varroa in kleineren Beuten - Beobachtungsdaten

Abb. 1: Vergleich des relativen Varroabefalls in großen und kleinen Beuten.

Forschungsdesign

Loftus et. al bildeten zwei Gruppen von Bienenvölkern und überwachten sie über einen Zeitraum von zwei Jahren. Die eine Gruppe  (Untersuchungsgruppe, n=12) wurde in kleinen Bienenstöcken mit 42 Litern Volumen untergebracht und keiner schwarmsteuernden Behandlung unterzogen. Die andere Gruppe (Kontrollgruppe, n=12) wurde ein größeren Bienenstöcken bis zu 168 Litern untergebracht und üblichen schwarmsteuernden Behandlungen unterzogen. Die beiden Gruppen standen in einem großzügigen Arreal etwa 60m von einander entfernt. Gemessen wurde die Schwarmfrequenz, der Varroa-Befall und die Überlebensrate.

Kritik:

  1. Es ist zu prüfen, ob die Befunde auf deutsche Verhältnisse übertragen werden können. Zudem ist unklar, ob Schwarmkontrolle und Einengung der Behausung gegenseitig moderierende Auswirkungen auf das Untersuchungsergebnis haben.
  2. In einer Replikationsstudie wäre zu prüfen, ob der Effekt kleinerer Beuten auch bei gleicher Schwarmkontrolle auftritt.
  3. Ebenso wäre zu prüfen, ob die Schwarmkontrolle alleine bei Beihealtung der Beutengröße einen Einfluss auf die Varroaresilienz hat.
  4. Im Weiteren ist die praktische Relevanz kritisch zu prüfen. Bienen werden in Deutschland auf das Ziel Schwarmträgheit gezüchtet, jedoch gehört das Schwärmen zur genetischen Grundaustattung der Bienen und ein frei schwärmendes Volk ist selten im Interesse des Imkers.

Die Hochschule Niederrhein plant ein Vorhaben mit dem Arbeitstitel #biene40, in dem solche Untersuchungen an weitgehend digitalisierten Bienenstöcken durchgeführt werden sollen [#biene40 2018].

Quellen zu weniger Varroa

  1. Boecking, O., Genersch, E. (2008) Varroosisthe ongoing crisis in bee keeping. Consum. Protect. Food safety 3 (2), 221228
  2. Boot, W.J., Calis, J.N.M., Beetsma, J., Hai, D.M., Lan, N.K., et al. (1999) Natural selection of Varroa jacobsoni explains the different reproductive strategies in colonies of Apis cerana and Apis mellifera .Exp. Appl. Acarol. 23 (2), 133–144
  3. van Engelsdorp D, Hayes J, Underwood R, Pettis J (2008) A survey of honey bee colony losses in the U.S., Fall 2007 to Spring 2008. PLoS One 3: 4071.
  4. Ellis JD, Evans JD, Pettis J. (2010) Colony losses, managed colony population decline, and Colony Collapse Disorder in the United States. J Apic Res 49: 134–136.
  5. Fries, I., Wei, H., Shi, W., Chen Shu, J. (1996) Grooming behavior and damaged mites (Varroa jacobsoni) in Apis cerana cerana and Apis mellifera ligustica. Apidologie 27 (1), 311
  6. Le Conte Y, de Vaublanc G, Crauser D, Jeanne F, Rousselle J-C, Bécard J-M. (2007) Honey bee colonies that have survived Varroa destructor. Apidologie 38: 566–572. doi: 10.1051/apido:2007040
  7. Loftus JC, Smith ML, Seeley TD (2016) How Honey Bee Colonies Survive in the Wild: Testing the Importance of Small Nests and Frequent Swarming. PLoS ONE 11(3): e0150362. doi:10.1371/ journal.pone.0150362
  8. Locke, B. (2016) Natural Varroa mite-surviving Apis mellifera honeybee populations. Apidologie  47: 467. https://doi.org/10.1007/s13592-015-0412-8
  9. Morawetz et al (2019) Health status of honey bee colonies (Apis mellifera) and disease-related risk factors for colony losses in Austria. PLOS ONE. https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0219293, abgerufen 19.08.2022
  10. Peng, Y., Fang, Y., Xu, S., Ge, L. (1987) The resistance mechanism of the Asian honey bee, Apis cerana Fabr., to an ectoparasitic mite, Varroa jacobsoni Oudemans. J. Invertebr. Pathol 49 (1), 5460
  11. Rosenkranz, P., Aumeier, P., Ziegelmann, B. (2010) Biology and control of Varroa destructor . J. Invertebr. Pathol. 103 ,S96–S119
  12. Rinderer TE, de Guzman LI, Delatte GT, Stelzer JA, Lancaster VA, Kuznetsov V, et al. (2001) Resistance to the parasitic mite Varroa destructor in honey bees from far-eastern Russia. Apidologie 32: 381–394.
  13. Seeley TD. (2007) Honey bees of the Arnot Forest: a population of feral colonies persisting with Varroa destructor in the northeastern United States. Apidologie 38: 19–29. doi: 10.1051/apido:2006055

Internet Links

  1. #biene40 (2018):https://twitter.com/hashtag/biene40

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